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Wirtschaftsbetriebe in Pompeji

Färberei

Dieses Geschäft an der Via dell'Abbondanza wurde vor allem durch den Wahlaufruf Infectores rogant... „Die Färber empfehlen...“ an der Fassade bekannt. Aus diesem Grund nimmt man an, dass es sich um eine officina infectoria (Färberei) für neuwertige Stoffe gehandelt hat. Im Inneren fand man einen Ofen mit einem übergrossen Bleikessel. Er wurde durch zwei in Stuck geformte Phalli religiös behütet, da sie gegen den bösen Blick schützten. Ähnliches kennt man auch von den Öfen der Brotbäcker.

Filzwerkstatt

An der Fassade dieses Gebäudes an der Kreuzung der Via dell'Abbondanza mit einer Seitenstrasse fand man die Wahlempfehlung Quactiliari rogant „Die Filzmacher empfehlen“, sodass davon ausgeht es mit einer officina quactiliaria (Filzmacherwerkstatt) zu tun zu haben. Wie die Walkerei des Verecundus ist auch dieses Gebäude bislang nicht ausgegraben worden (Stand Ende 1999), sodass man auf die Interpretation der Fassadenmalereien angewiesen ist.

Die prächtige Fassade der Filzwerkstatt mit den vier Götterbildnissen über dem Eingang
und der Venus Pompeiana samt Eroten links davon
e ludo computatrali "Pompei"

Links vom breiten Eingang präsentiert sich eine reich geschmückte Venus Pompeiana (Venus als Stadtgöttin) in Filzmantel - ähnlich der Ausstattung der Götterstatue an hohen Festtagen. Sie hält im linken Arm Szepter sowie Steuerruder und stützt sich auf eine Statue des Eros, der ihren Spiegel hält. Schwebende Eroten bringen ihr die Triumphsymbole Kranz und Palmzweig.

Über dem Architrav des Gebäudes fanden sich die Darstellungen mehrerer Gottheiten: Diana mit Halbmond über dem Haupt, Mercurius mit caduceus (Heroldsstab) und petasos (Flügelhut), Iuppiter mit Szepter und Apollo im Strahlenkranz. Ob es sich bei den Bildern um die Darstellung der für die Filzmacher besonders günstigen Tage (Montag, Mittwoch, Donnerstag, Sonntag) handelt ist nicht bekannt. Inmitten der Portraits war in Schutzfunktion noch ein geflügelter Phallus aus bemaltem Tuff angebracht gewesen - eine Tradition die sich übrigens in manchen Gegenden bis in das Mittelalter hielt.

Rechts vom Eingang prozessiert die phrygische Göttin Kybele als Sitzstatue auf einem ferculum (Traggestell; hier: tragbarer Thron). Als kosmische Herrscherin trägt die Rückenlehne Sterne und die Göttin selbst die mit Türmen versehene Mauerkrone. Über dem himation (Mantel) war ein von den Knien bis zum Mantelsaum reichendes Netz gemalt, das sie auch noch als Orakelgöttin ausweist. Nicht fehlen auch zwei kleine Löwen als Repräsentation ihrer Naturherrschaft.

Die Göttin scheint ein Gespräch mit der daneben stehenden Marmorherme zu führen, welche einen bärtigen Dionysos darstellt und archaisch ausgebracht worden war. Dieser plumpe Zustand lässt darauf schliessen, dass die Herme bereits lange vor den Malereien hier in den Mauerverband in einer kleinen Nische einbebaut worden war.

Das Gefolge der Göttin präsentiert sich der Wirklichkeit entsprechend und nimmt keine Rücksicht auf die für die römische Kunst gerne gewählte unterschiedliche Sichtweise von Stand oder Religion. Neben gemeinem Volk zeigt die Malerei auch Männer in weissen Togen mit roten Streifen. Eine der Figuren trug einen Schnurrbart, wie er für die 2.Hälfte des 1.Jh.n.Chr. für die oberen Schichten belegt ist. Ergänzt wird dies alles mit einigen Priestern und Musikern.

Flickschneiderei

Das an der Via dell'Abbondanza gelegene Gebäude wurde noch nicht ausgegraben (Stand Ende 1999), doch konnte an der in opus reticulatum (Netzmauerwerk) ausgebrachten Fassade eine Wahlempfehlung identifiziert werden. Dieser zufolge wurde die Werkstatt dem veterarius (Flickschneider) Tigillus zugeschrieben.

Weberei des Minucius

Wie viele andere Häuser auch, wurde auch diese Wohnung nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. für gewerbliche Zwecke verwendet. Infolge von 53 aufgefundenen Webgewichten konnte hier eine textrina (Weberei) nachgewiesen werden. Ihr Inhaber war ein gewisser Minucius, der sich parallel auch als selbständiger Gladiator betätigte. Ein anderes Mitglied der Familie - die wohl insgesamt im Textilgeschäft aktiv war - wurde auf einem Wachstäfelchen des Bankiers Iucundus als Zeuge bekannt.

Die Entstehung des Hauses wurde von den Archäologen in vorrömische Zeit datiert. Das impluvium (Regenwasserbecken) bestand aus Tuffstein und der Fussboden links des Eingangs enthielt noch Reste einer Stuckatur im Ersten Stil. Nach dem grossen Erdbeben waren einige Ausbesserungen in opus mixtum (Mischbauweise) in Ziegel und Kalkstein erfolgt, doch waren diese bei der Verschüttung durch den Vesuv noch nicht abgeschlossen. Als die Katastrophe hereinbrach, schienen die Arbeiten gerade wieder in Gang gekommen zu sein, wie ein Korb mit Pech im oecus und Haufen von zerstossenen Ziegeln und Kalk im Triklinium des hinteren Hausteiles belegen.

Die Werkstatt selbst dürfte sich in einem langgestreckten Raum auf der linken Seite befunden haben, da dort mehrere Graffiti entdeckt werden konnten. In ihnen haben sich die Weber Onesimus, Primigenius und Rufus sowie die Weberinnen Gelaste und Salvilla verewigt. Im cubiculum (Schlafzimmer) gleich neben dem oecus blieb links vom Eingang eine Malerei erhalten. Sie zeigt weiss grundierte Ädikulen und davon eingerahmte Landschaftsbilder.

Zwei Webereien

Wie die meisten Gebäude der regio IX sind auch die ursprünglich zusammengehörenden Webereien bislang nicht ausgegraben worden. Wann aus dem Betrieb zwei eigenständige Unternehmen wurden ist unbekannt; allgemein geht man davon aus, dass dies nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. erfolgte.

Die gewerbliche Zuordnung erfolgte bislang aus den Graffitis an den Fassaden, die nahe legen, dass im ersten Stock - immerhin mit fenstergesäumten Loggien ausgestattet - Stoffe gewebt und diese im Erdgeschoss dem Publikum zum Verkauf angeboten wurden. Die Graffitis der ersten Weberei boten für die Wirtschaftsgeschichte wichtige Anhaltspunkte, wie etwa die Nennung des Verkaufspreises für eine Tunika: 15 Sesterzen. Eine Inschrift nennt sogar das Datum, wann die Webarbeiten aufgenommen worden waren: scri(p)si coeptum stamen decembre VII k(alendas) ianuarias „Ich habe es aufgeschrieben: das Weben begann sieben Tage vor den Kalenden des Jänner“ (d.i. der 26. Dezember).

Aufgrund der Abbildungen und aus Namensnennungen an anderen Gebäuden wird ersichtlich, dass das Weben vor allem - aber nicht ausschliesslich - Frauenarbeit war. Auffällig ist zudem, dass sowohl Arbeiter(innen) als auch Unternehmer fast ausschliesslich nicht aus Süditalien, sondern anderen Provinzen stammten.

Das Gebäude selbst entstammt der Samnitischen Epoche und besass Loggien damit nicht nur zur Aussen- sondern auch zur Innenseite hin. Vorgesetzte Halbsäulen aus Tuffstein mit Würfelkapitellen ergänzten die Architektur. Leider wurde das Bauwerk 1943 bei der Bombardierung durch die Amerikaner schwer beschädigt und befindet sich deshalb auch unausgegraben in einem erbärmlichen Zustand.

Wollspinnerei

Das an einer Seitenstrasse der Via dell'Abbondanza und nahe den Stabianer Thermen gelegene Eckgebäude beherbergte eine officina lanifricaria (Wollspinnerei). Der Fussboden war so nivelliert, dass das Wasser aus den Gefässen auf den Feuerstellen zur Strasse hin abfliessen konnte. Die Wolle wurde an mehreren Plätzen im Gebäude getrocknet; so in einem Raum rechts neben dem Eingang, im Hof und schlussendlich am Balkon.

Nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. wurde dem Wiederaufbau der Wollverarbeitenden Betriebe höchste Priorität eingeräumt - offensichtlich auch vor öffentlichen Gebäuden. Da die Wollindustrie der wichtigste Gewerbezweig Pompeiis war, wollte man die Produktion so rasch als möglich wieder hochbringen und einem Verlust von Absatzmärkten entgegenwirken. Nicht uneigennützig standen auch die Besitzer der grossen Landgüter hinter dieser Entwicklung, da sie die Hauptproduzenten der Wolle waren.

Gerberei

Die bereits im Jahre 1873 ergrabene officina coriariorum (Gerberei) war mit Abstand die grösste in Pompeji und nach dem derzeitigen Stand vielleicht auch die einzige. Sie lag verkehrsmässig günstig in einer Seitenstrasse nahe des Stabianer Tores.

In dieser Seitenstrasse lag die Gerberei
e ludo computatrali "Pompei"

Vom Umfang her nahm sie den überwiegenden Teil einer ehemaligen Insula aus Wohnungen ein. Im Atrium einer Wohnungen in der Nordostecke hatte man die Werkstatt für den Gerbvorgang untergebracht. An der linken Wand des Portikus fanden sich sechs Abteilungen, die durch Trennmauern mit integrierter Leitung separiert waren. Diese führte zu drei grossen dolia (Fässern) aus Terrakotta für die Gerbsäure.

Rund um einen tragenden Mittelpfeiler hatte man 15 Rundbecken gemauert und mit opus signinum (Ziegelpulvermörtel) verkleidet. Die ausladenden Becken besassen je zwei Löcher für den Zu- und Abfluss der Gerbsäure. Zwölf Becken mit einem Durchmesser von 160 cm waren für die Verwendung von pflanzlicher Gerbsäure bestimmt, die drei anderen von 125 cm im Durchmesser für Alaunbeize. Letztere kam bei qualitativ hochwertigen feinen Fellen zum Einsatz.

Ergraben werden konnten im direkten Gerbereibereich auch einige Werkzeuge für das Zuschneiden von Fellen und Häuten. Die weiteren Räume wurden als Wohnraum sowie für die Lagerung von Rohmaterialien und Endprodukten verwendet. An der rechten Gartenmauer hatte der Eigentümer des Gebäudes ein Sommertriklinium anbauen lassen. Inmitten der dreiseitig gemauerten Klinen fand man einen Tisch mit bemerkenswerter Mosaikeinlage. Es stellte vor hellblauem Hintergrund einen Totenschädel mit Winkelmass, Lot, Schmetterling sowie Rad dar und repräsentierte somit die Vergänglichkeit und Unbeständigkeit des Lebens. Der Schmetterling stand für die Seele, das Rad war wohl jenes der Fortuna, der Totenkopf symbolisierte den Tod und die Werkzeuge entweder das rechte Mass im Leben oder schlichtweg den Beruf als Bauunternehmer des Eigentümers. Gerne wird diese Dekoration mit der larva argentea (hier: Silbergerippe) aus dem Satyricon des Petronius verglichen. Derartige Todesrepräsentationen waren also keine Erfindung von Schriftstellern, sondern gelebter Alltag.

An der Nordostecke der Insula war ein öffentlicher Brunnen angebracht, in dessen unmittelbarer Umgebung zahlreiche Namen in den Gebäudeputz geritzt worden waren. Unter ihnen fand sich der eines Marcus Vesonius. Es wird angenommen, dass es sich dabei um jenen Marcus Vesonius Primus handelte, der eine Walkerei in der Via Stabiana besass.

Blick vom Sommertriklinum
 in den Schankraum
im Thermopolium an
der Via dell'Abbondanza

e ludo computatrali "Pompei"


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

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(PL)