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Die Theateranlagen von Pompeji

Das grosse Theater

Ähnlich den Vorbildern in der griechischen Welt wurde das grosse Theater von Pompeji in der Nähe eines Heiligtums errichtet und das obwohl die sakrale Bedeutung der Aufführungen schon in hellenistischer Zeit weit hinter jene der Volksbelustigung zurückgegangen war.

In einen Berghang gebaut, nutzten die Architekten das vorhandene natürliche Gefälle und benötigten für den Bau keine weiteren befestigenden substructiones (Unterbauten). Seit seiner Errichtung wurde das grosse Theater mehrmals aus- und umgebaut, konnte sich jedoch im wesentlichen einen griechischen Touch erhalten. Jedenfalls im Originalzustand stellt sich die hufeisenförmige orchestra (Tanzplatz) dar.

links: Blick von der summa cavea auf die Bühne
rechts: Blick von der ima cavea auf die Bühne
bis e ludo computatrali "Pompei"

Die unteren Zugänge an der Bühne in den Zuschauerraum
bis e ludo computatrali "Pompei"

Blick vom Forum Triangulare aus auf die Aussenfassades des Theaters
 e ludo computatrali "Pompei"

Den grössten Renovierungsschub gab es auf Kosten der lokalen Aristokratie unter Kaiser Augustus wie Inschriften belegen: M. M. Holconii Rufus et Celer cryptam, tribunalia, theatrum s(ua) p(ecunia) (Marcus Holconius Rufus und Marcus Holconius Celer haben die den überdachten Gang, die Logen und die Sitzreihen aus eigenem Gelde errichtet.) Beide Persönlichkeiten erhielten im Theater eine Ehrenstatue und ersterer sogar ein bisellum (extrabreiter Ehrensitz in Theatern). Auch der Name des die Restaurierungsarbeiten leitenden Architekten ist aus einer Inschrift bekannt. Es handelte sich um den Freigelassenen Marcus Artorius Primus.

Die gesamte Anlage wurde - in wenigstens drei Bauphasen seit dem 2.Jh.v.Chr. - aus opus incertum (unregelmässig aneinander gefügte Steine) und nur die Bühne aus opus latericium (Ziegelbau) gebaut. Letztere musste nach dem Erdbeben von 62 n.Chr. völlig neu errichtet werden. Der älteste Bau hatte ein völlig anderes Aussehen, lag wohl mit der orchestra auf einer Höhe und besass eine gerade Bühnenfront. Die zweite Bauphase wird in sullanische Zeit datiert, reduzierte die zahlreich vorhandenen Türen und schmückte die Bühnenwand erstmals mit Säulen. Ausserdem scheint man damals in der orchestra rechteckige und runde, mit opus signinum (Ziegelpulvermörtel) verkleidete Becken errichtet zu haben, die als kleine Nymphäen dienten. Diese in römischen Theatern dieser Zeit üblichen Becken entfernte man jedoch später wieder um mehr Versammlungsraum vor der Bühne erhalten.

Die orchestra betrat man über zwei - wohl aus sullanischer Zeit stammenden - parodoi (überdachte Zugänge), die an den Rändern der cavea (Zuschauerraum) lagen. Ausserdem bestanden Verbindungen zu einem hinter der Bühne gelegenen Hof. Die Innenwände bestanden aus opus mixtum (Mischbauweise) mit Tuffsteinen und Retikulatmauerwerk und die Ecken ummauerte man in augusteischer Zeit mit Ziegeln.

Der Zuschauerraum wird durch drei Ringgänge in ebenso viele Abschnitte unterteilt: von unten nach oben die ima, media und summa cavea. Die beiden letzteren besassen noch sechs kerkides (Radialgänge), welche die Anlage in fünf Sitzgruppen gliederten. Die summa cavea (äusserer Ring) wurde 62 v.Chr. fast vollkommen zerstört.

Ursprünglich gab es diesen obersten Sitzreihen nicht und die Erweiterung datiert man allgemein in die Zeit kurz nach der Gründung der sullanischen Kolonie. Damit konnte das Theater nicht nur mehr Besucher aufnehmen, sondern sah auch eleganter aus. Die letzten Erweiterungen stammen dann aus augusteischer Zeit zur Gewinnung einiger tribunalia (Logenplätze). Sie hatten einen eigenen Zugang über eine gedeckte Treppe. Wohl wollte man damit den bevorrangten Besuchern das Gedränge an den Ausgängen ersparen.

Die ima cavea - der innerste Teil der Sitzreihen - war nur den Dekurionen der Stadt zugänglich, wohingegen die unterste Reihe der media cavea - dem Mittelteil - wohl den Handwerkerinnungen vorbehalten blieb. Von dieser Reihe aus hatte man den besten Blick auf die Bühne, sodass sich dort auch der Ehrenplatz für Marcus Holconius Rufus befand. In Summe besass die ima cavea 4, die media cavea 20 und die summa cavea wiederum 4 Sitzreihen.

Über zwei kleine Treppen konnten die Schauspieler die Bühne betreten. Nischen in deren Nähe scheinen für das Aufsichtspersonal reserviert gewesen zu sein. Das proskenion (Bühnenvorderseite) war einen knappen Meter hoch und hinter seiner Front lagen die Einlassungen für den Bühnenvorhang, der durch Balken geführt von unten nach oben hochgezogen wurde. Erst dahinter konnten sich die Schauspieler frei auf der Bühne bewegen.

Den Abschluss bildete die zweigeschossige frons scaenae (Bühnenfassade), deren noch heute sichtbare Erscheinung auf die letzte Renovierungsphase 62 n.Chr. zurückgeht. Als Vorbild hatte man sich die statuengeschmückte Fassade eines Herrscherpalastes gewählt. In der Mitte existierte eine Apsis und in den Seitenteilen sind Nischen eingetieft. Neben den Säulen sorgte vor allem eine bunte Bemalung für entsprechende Raumeffekte. Von der Bühne selbst führen nach hinten drei Türen in einen langgezogenen Raum, der vermutlich als Umkleidekabine benutzt wurde. Ausserdem konnte man von dort in den Hof hinter dem Theater gelangen.

Das Odeion

Gleich neben dem grossen Theater existierte in Pompeji noch ein kleineres - das Odeion. Beide Gebäude waren zusammen mit dem Quadriportikus eng verbunden und bildeten eine kulturelle Einheit. Das Odeion wurde für musikalische Aufführungen benutzt und war deshalb überdacht und kleiner gestaltet als sein grosser Bruder im Westen.

Durch Inschriften kennt man die Bauherren des Odeions: C.Quinctius Valgus und Marcus Porcius. Beide hatten in ihrer Funktion als städtische Magistrate auch einen Teil der Baukosten getragen. Ersterer wurde auch bekannt durch seine masslose Bereicherung an Landbesitz in sullanischer Zeit. Mit seinem Amtskollegen liess er später auch das Amphitheater errichten.

Obwohl der Bau (aufgrund von Malereien) in die Zeit Sullas datiert wird, dürften die Pläne für die Errichtung eines solchen Gebäudes schon seit längerer Zeit vorhanden gewesen sein. Die optimale Raumausnutzung der drei eng aneinander liegenden Einrichtungen legt dies nahe. Möglicherweise war man bei Besuchen in Neapolis auf den Geschmack gekommen, da diese Stadt für ihre musischen Darbietungen berühmt war.

Das Odeion wurde aus opus quasi reticulatum (Netzmauerwerk) und opus incertum (unregelmässig aneinander gefügte Steine) gebaut. Einige Mauerabschnitte und die Türeinfassungen der frons scaenae (Bühnenfront) verzahnen sich in den Mauern mit Ziegelsteinen. Durch die Enge des Bauwerks konnten nur die untersten Sitzreihen der cavea (Zuschauerraum) vollständig ausgebildet werden. Der Rest wurde einfach an den Mauern beschnitten. Sieht man von der halbkreisförmigen orchestra (unterste Sitzreihen samt dem umschliessenden Boden) ab, so entspricht die Bauweise des Odeions im Prinzip jener des grossen Theaters.

Aussenansicht des Odeions
e ludo computatrali "Pompei"

Die ima cavea (innerste Sitzreihen) umfasste vier Reihen mit breiten Stufen, auf denen die bisellia (Sitze der Ehrengäste) platziert werden konnten. Dahinter existierte eine Balustrade samt Zugang zur den Plätzen der in für Abschnitte untereilten media cavea (mittlere Sitzreihen). Die Enge des Raumes bedingt das Fehlen einer summa cavea (obere Sitzreihen). Anstatt dessen konnte man durch zwei Gänge entlang der nördlichen Stützmauer von oben her ebenfalls zu den Plätzen der media cavea gelangen.

Sowohl Aussenmauern, als auch Balustrade zeigten speziellen Figurenschmuck aus Tuffgestein. Den Boden der orchestra hatte in frühaugusteischer Zeit der Magistrat Marcus Oculatius Verus mit bunten Marmorplatten (einheimische und Importware u.a. aus Africa) auf eigene Kosten auskleiden lassen. Ähnlich dem grossen Theater gibt es auch im Odeion Vertiefungen für den emporhebbaren Bühnenvorhang. Die Bühnenfront war gerade und besass drei grosse und zwei kleine Türen, die in einen hinteren Raum mit wiederum vier Türen hin zur Aussenmauer führten. Wohl diente er als Umkleideraum und zur Zwischenlagerung der Musikinstrumente.

Der Quadriportikus
die späterer Gladiatorenkaserne

Ganz dem Idealbild Vitruvs entsprechend besass das Theater von Pompeji einen grossen Portikus, um den Besuchern während der Pausen der oft langen Bühnenstücke eine Möglichkeit der Bewegung zu ermöglichen. Die hinter dem Theater gelegene Anlage war unter hellenistisch-griechischem Einfluss entstanden und dürfte eine der ältesten ihrer Art in Italien sein. Die mit Brunnen und Gärten prächtig ausgestatteten Portiken in Rom - etwa beim Theater des Pompeius - entstanden erst viel später. Der pompejianische Quadriportikus präsentiert sich hingegen als einfaches Rechteck mit einer Einfassung von 74 stukkatierten dorischen Tuffsteinsäulen mit Zweidrittelkannelierung von oben her.

Von der scena (Bühnenfassade) des Theaters und dem östlichen Ausgang gelangte man über einen kleineren - nur an einer Seite mit Säulen geschmückten - Hof nicht nur in den Quadriportikus, sondern auch in das Odeion und in eine Sackgasse an der Via Stabia. Damit war der Platz zunächst öffentlich zugänglich und nicht nur für die Theaterbesucher reserviert. Da die Ausrichtung der Anlage mit jener des Theaters nicht ganz übereinstimmt, wird davon ausgegangen, dass sie ursprünglich nicht als Ergänzung des Theaterbetriebs gedacht war, sondern ein klassisches Gymnasium zur Ertüchtigung und Bildung der jungen Pompejianer darstellte.

Der Zugang von der erwähnten Strasse her lag in der nordöstlichen Ecke und umfasste einen eigenen Eingangsraum mit drei ionischen Säulen, die in gleicher Ausrichtung wie jene des benachbarten Zwischenhofes aufgefunden wurden. Auch bestanden in frühester Zeit an der Südseite dieses Hofes Säulen, die jedoch bei Anlage der nördlichen Räume des Quadriportikus entfernt worden waren. Nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. hatte man sich dazu entschlossen den Platz einer anderen Verwendung zuzuführen und ihn in einen ludus gladiatorius (Gladiatorenkaserne) umzuwandeln. Dazu trennte man die Verbindung zu Strasse und Odeion durch eine Tür und eine Mauer.

In der nordwestlichen Ecke gab es über eine lange Treppe noch einen Zugang zum Forum Triangulare, der durch einige Stufen ergänzt wurde, um von dort direkt in den Zwischenhof zu gelangen. Damit wurde der ursprüngliche feierliche Prozessionsweg der Stadtoberen unterbrochen, welche fortan über die Via del Tempio d'Iside und die Via Stabia marschieren mussten.

Als grundlegende Bautechnik war beim Quadriportikus - wie auch beim Odeion - opus incertum (unregelmässig aneinander gefügte Steine) aus Vesuvlava verwendet worden. Deshalb werden als Bauzeit die ersten Jahrzehnte im 1.Jh.v.Chr. angenommen - wenn die Errichtung nicht ohnehin zeitgleich mit dem Odeion erfolgte.

Die zahlreichen Räumlichkeiten entlang der Aussenseiten des Portikus wurden alle erst nach 62 n.Chr. in opus mixtum (Mischbauweise) aus Tuff- und Ziegelsteinen erbaut worden. Einige Pfeiler stellte man in opus latericium (Ziegelmauerwerk) her. Bei der Verschüttung durch den Vesuv war man mit den grundlegenden Bauarbeiten zwar fertig gewesen, doch trugen die meisten Räume noch keinen Verputz. Über den festen Bauten im Erdgeschoss gab es - abgesehen über der Exedra im Süden und vielleicht der Küche im Osten - noch einen hölzernen Umgang, den man über drei kleine Treppen an der Nordseite erreichen konnte.

Die Kammern selbst waren eher klein gehalten und boten kaum zwei Personen Platz für ein Nachtlager. Auch die Eingänge waren niedrig. Die vier mittleren Räume im Westen waren bereits vor der Vesuvkatastrophe mit Schutt angefüllt gewesen; aus welchem Grund konnte bislang nicht ermittelt werden.

Ein enger Raum unmittelbar an der Treppe im Nordwesten diente als Stall, da man hier die Skelette eines Pferdes und eines Mannes - wohl der Stallknecht - fand. Ebenfalls im Westen - umittelbar an den aufgefüllten Räumen - lag ein kleiner Gefängnisraum. In ihm fand man Fussfesseln, die so angebracht waren, dass die Gefangenen nicht aufrecht stehen konnten. Sie mussten entweder sitzen oder liegen. Während des Vulkanausbruchs flüchteten sich hier her vier Männer, deren Skelette - sie waren nicht angekettet - man bei den Ausgrabungen aufdecken konnte.

Die Südseite wird von einer Exedra beherrscht, die vermutlich ein tablinum (Galerie für Empfänge) gewesen sein könnte. Der offene Raum war mit Fresken im Vierten Stil verziert, welche u.a. das Liebespaar Mars und Venus an der Rückwand und Gladiatorenwaffen an den Seiten zeigten.

In einem Raum an der Südostecke des Areal fand man die Reste von zwei Holzkisten, in denen man ursprünglich goldbestickte Gewänder aufbewahrt hatte. Vermutlich handelte es sich dabei um Paradekleidung, die zu festlichen Anlässen von den Gladiatoren getragen wurden.

Der Osten des Quadriportikus wurde von der Küche, einem offenen Speisesaal und Lagerräumen beherrscht. Daneben gab es noch eine kleine Treppe, vermittels der man auf den hölzernen Umgang im oberen Stock gelangen konnte. Eine weitere breite Treppe führte zu den Räumlichkeiten des lanista (Gladiatorentrainer).

Im Zuge der Beschränkung des Zugangs beim Umbau in eine Gladiatorenkaserne etablierte man beim Eingang im nordöstlichen Eck noch einen Raum für einen Torwächter. Insgesamt fand man in wenigstens zehn Kammern der Anlage Gladiatorenwaffen; einige von ihnen waren Prunkstücke, die vermutlich nur bei Paraden zum Einsatz kamen. Inwieweit nach dem Erdbeben von 62 n.Chr. die Räume auch anderen Bewohnern zur Verfügung standen ist unklar, zumal die Zahl der Räume wesentlich mehr Gladiatoren hätte beherbergen können, als Gebeine gefunden wurden.

Ausser den bereits erwähnten Skelettfunden kamen bei den Ausgrabungen noch weitere achtzehn Gerippe in zwei Zimmern zum Vorschein. Eines davon ist besonders auffällig - denn es handelte sich um eine Frau, die reichen Edelsteinschmuck getragen hatte. Einen eher makaberen Fund machte man schliesslich noch in einer Kammer in der südwestlichen Ecke: in einem Krug fand sich das Skelett eines Neugeborenen.

Blick von der Bühne in den Zuschauerraum
e ludo computatrali "Pompei"


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

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(PL)