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Wirtschaftsbetriebe in Pompeji

Walkerei des Stephanus

Die an der Via dell'Abbondanza gelegene fullonica (Walkerei) war die einzige in Pompeii, die nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. völlig neu erbaut worden war. Die anderen Betriebe hatten in ehemaligen Wohnhäusern Platz gefunden. In der Antike boten Walkereien für die Menschen sehr wichtige Dienstleistungen an, denn sie arbeiteten ab usu (Waschen und Reinigen von gebrauchten Stoffen sowie Kleidung) und de tela (Entfettung von neuen Stoffen nach dem Spinnvorgang). Aufgrund der Wahlempfehlungen an der Aussenfassade konnte der Besitzer dieses Gewerbebetriebes als ein gewisser Stephanus ermittelt werden, der vielleicht über griechische Wurzeln verfügte. Die Walker waren im Gegensatz zu anderen Gewerbetreibenden in den letzten Jahren Pompeiis als geschlossene Berufsvereinigung organisiert gewesen, wie die Wahlaufforderung fullones universi rog(ant) „Die vereinigten Walker empfehlen“ nahe legt.

Der Eingang wurde infolge des Kundenstroms besonders breit ausgebracht. Zum Zeitpunkt der Verschüttung durch den Vesuv 79 n.Chr. war eine Hälfte der aus vertikalen Tafeln bestehenden Tür mit massiven Ketten verschlossen gewesen. Dahinter fand man bei den Grabungen im Jahre 1911 ein männliches Skelett und eine grosse Zahl an Bronze-, Silber- und Goldmünzen im Gesamtwert von 1089 ½ Sesterzen. Es ist unklar, ob es sich um einen Mitarbeiter der Walkerei mit der Kasse oder um einen Flüchtenden handelte, der hier Unterschlupf gesucht hatte.

Im ersten Raum stand links vom Eingang ein pressorium (auch torcular; Stoffpresse). Um ihre Stoffe und Kleider abzugeben mussten die Kunden nicht nur diesen, sondern auch das Atrium durchqueren. Selbst das dort befindliche impluvium (Regenwasserbecken) war in Abschnitte unterteilt worden und diente vermutlich der Reinigung von feinen Stoffen. Zudem wurde an Stelle eines compluvium (Säulenhof um das Regenwasserbecken) ein Flachdach mit Lichtöffnung installiert. Auf ihm konnte man Wäsche zum Trocknen ausbreiten.

Hinter dem Peristyl existierten drei weitere lacus (Becken) auf verschiedenen Höhenebenen, die mittels Löcher in der Mauer miteinander verbunden waren. Da man keinen Abfluss fand, wird angenommen, dass das Wasser entweder mittels Kübeln geschöpft oder über Saugröhren abgeleitet wurde. Daneben gab es noch fünf ovale lacunae fullonicae (Walkbecken; von lat. lacuna = Sumpf, Morast); drei links und zwei rechts mit je einem Uringefäss davor. Um den Zugang für die Walker zu erleichtern hatte man Stufen und Verbindungswege aufmauern lassen. Diese traten in den Becken mit den Füssen die in Wasser und Soda (oder andere alkalische Substanzen wie Urin) die Stoffe. Seife war zwar in Gallien bereits erfunden worden, spielte jedoch während der gesamten Antike nur eine untergeordnete Rolle. Neben dem menschlichen Urin verwendete auch tierischen; etwa von Kamelen, der eigens für Walkereien nach Italien importiert wurde.

Arbeiter in der Walkerei des Stephanus bei ihrer unangenehmen Tätigkeit
links im Hintergrund die zum Trocknen aufgehängten Stoffe; rechts oben eine Deckenlampte

e disco televisifico digitale "Pompeji - Der letzte Tag"

Um die teuren Importe zurückzudrängen, wurden seit Kaiser Vespasianus in einigen öffentlichen Latrinen - die man bezeichnenderweise vespasiana nannte - menschlicher Urin gesammelt und gegen eine Gebühr an die Walkereien abgegeben. Genau um diese Einnahmen ging es beim berühmten Zitat des Kaisers: Non olet. „Es stinkt nicht.“. Harn wurde jedoch schon zuvor in Pompeji gesammelt. In einigen Seitenstrassen sowie im Eingangsbereich mancher Gebäude standen spezielle halslose Amphoren hierfür bereit. Sie sorgten nicht nur für den begehrten Rohstoff, sondern entlasteten auch die gewöhnlichen Toiletten in den Häusern.

Eine Treppe führte zur Terrasse, die am Peristyl und Atrium Loggien mit Halbsäulen aufwies. Dort gab es ideale Bedingungen zum Trocknen und Bleichen der Stoffe an der Sonne. Vermittels eines Gesetzes war es den Walkern erlaubt worden Stoff und Wäsche in den Strassen trocknen zu lassen. Was wohl zum Ärgernis der Umwohnenden führte, war aufgrund der immer dichter werdenden Verbauung notwendig geworden. Der ständige Transport der Stoffe auf Karren zu freien Geländen hätte ein unnötig hohes Verkehrsaufkommen bedeutet.

Für die Sklaven war eine Küche eingerichtet worden, wohingegen die freien Arbeiter ihre Mahlzeiten zuhause einnehmen konnten. In ihr fanden sich eine erkleckliche Anzahl an Pfannen sowie ein delphischer Rost zum Braten. In einem separierten Raum hatte man schliesslich noch eine Latrine für die grösseren Bedürfnisse der Arbeitenden untergebracht.

Trotz des gewerblichen Charakters hatte man bei der Ausgestaltung des Gebäudes nicht auf schmückende Elemente verzichtet. Die Grundmalerei war rot ausgebracht - so wie es für das letzte Jahrzehnt Pompeiis üblich war. Darauf fanden sich einige in Schwebe befindliche Figuren, wo jene des personifizierten Sommers und Herbstes in einem Raum linkerseits des Atriums besonders hervorsticht. Wohl symbolisierten beide die lukrativsten Saisonen des Jahres für die Walker. Die Arbeiterschaft setzte sich sowohl aus Sklaven, als auch aus Lohnarbeitern zusammen. Interessant ist schlussendlich anzumerken, dass in der Walkerei des Stephanus sowohl Männer als Frauen in gleichen Berufen arbeiteten.

Walkerei des Verecundus

Das Haus mit drei Eingängen an der Via dell'Abbondanza besass eine reich verzierte Fassade mit Götterbildnissen, Darstellungen aus dem hier getätigten Gewerbe sowie zahlreiche Graffiti. In dieser Walkerei wurden speziell Stoffe aus abgeriebenen oder gepressten Tierhaaren (z.B. von Hasen) oder Wollflocken hergestellt. Der Walker Vesonius Primus scheint parallel auch eine officina coriariorum (Gerberei) in der regio I geführt zu haben und belegt damit das enge ökonomische Band zwischen antiker Leder- und Wollindustrie.

Die von einem Vordach geschützten Eingangstüren waren bei der Verschüttung durch den Vesuv mit Ketten verschlossen. Der Pilaster zwischen mittlerer und linker Tür zeigt unterhalb des Bildnisses einer von Elefanten gezogenen Venus im Wagen volkstümliche Gewerbemalereien. Drei Filzer sitzen hinter niedrigen Bänken und kämmen Wolle. Auf den Bänken präsentierte man die dazu benötigten Werkzeuge; z.B. die Messer des pectinarius (Wollkämmer). Solche fand man man im Haus gegenüber, sodass hier ein ökonomischer Zusammenhang zu bestehen scheint. Auch die weitere Verarbeitung war abgebildet worden. In einem grossen Ofen bereitet man eine wohl auf Essig basierende dicke Flüssigkeit vor, die über die Wolle gezogen wird. Aufgefangen kommt sie in Sammelgefässe zurück. Dies war eine Tätigkeit des coactiliarius (in lokalem Dialekt: quactiliarus; Wollverdichter). Solche Vorrichtungen fand man auch in anderen Walkereien. Schlussendlich verewigte man noch den Eigentümer des Betriebes selbst: Verecundus bei der Präsentation eines braunen Wolltuches mit rotem Längsstreifen vor einem Kunden. Ein anderswo aufgefundenes Graffito nennt einen Marcus Vecilius Verecundus mit der Berufsbezeichnung vestiarius (Kleiderhändler). Es wird davon ausgegangen, dass es sich um den vorliegenden Eigentümer der Walkerei handelt.

Die hier verkauften Stoffe und Kleidungsstücke müssen von überragender Qualität gewesen sein, da es in der römischen Gesellschaft üblich war, einfache Kleidung in Heimarbeit zu fertigen. Eine Inschrift erwähnt den Verkauf einer lintea aurata (Leinenuntergewand mit eingewebten Goldfäden). Wie Seide galten solche speziellen Leinenstoffe als absolute Luxusware. Neben den erwähnten hochpreisigen Textilien verkaufte man in diesem Laden auch Schuhe, die aus impilia (Grobfilz) hergestellt wurden. Bei einer gemalten Verkaufsszene wacht Mercurius persönlich als Schirmherr über die Transaktion. In der Ausgestaltung der Venus in der Malerei zeigte Verecundus seinen Patriotismus. Als Göttin des Meeres und der Seeleute empfängt sie ein Opfer des städtischen Genius. Dazu gesellte sich noch Fortuna mit Steuerruder und Füllhorn.

An der Fassade wurde auch eine getilgte Wahlempfehlung gefunden. Eine gewisse Cuculla - möglicherweise in diesem Betrieb angestellt - hatte aufgerufen für Gaius Iulius Polybius zu stimmen. Warum dieser den Text mit Kalk übertünchen liess bleibt unbekannt, aber scheinbar legte er auf eine gewisse Qualität seiner Wahlhelfer wert, denn auch an der benachbarten caupona der Asellina war sein Name in Zusammenhang mit einer gewissen Zmyrina getilgt worden.

Walkerei des Fabius Ululitremulus

Die gewerbliche Zuordnung dieses bislang nicht ausgegrabenen Hauses an der Via dell'Abbondanza erfolgte durch die Graffitis an der Fassade, wo sich neben den fullones (Walkern) auch ein atramentarius (Schwarzfärber) verewigt hatte. Der eigenartig wirkende Name Ululitremulus lässt sich auf lat. ulula „Eule“ und lat. tremulus „unruhig“ zurückführen. Dieser nachtaktive und wachsame Vogel war der Minerva heilig und diese schützte auch das Gewerbe der Walker. Dies ist ein schönes Beispiel für das berühmte nomen est omen in der römischen Namensgebung.

Bekannt wurde das Gebäude vor allem durch jene Malerei, welche die Flucht des Aeneas darstellt. Der Held trägt seinen Vater Anchises auf den Schultern und nimmt den Sohn Ascanius (oder Iulus) an der Hand. Auch ein bewaffneter Romulus ist abgebildet. An der Ecke des Bauwerks fand man schliesslich eine halslose Amphore, in der Urin für die Walker gesammelt wurde.

Walkerei des Vesonius Primus

In dem an der Via Stabiana gelegenen Haus mit Peristylhof wurde nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. eine fullonica (Walkerei) eingerichtet. Sie umfasste drei Becken und eine Arbeitsbank. Letztere stand an einer mit alexandrinischem Fries verzierten Wand, das von den Ausgräbern zunächst fälschlich als „Fest der Walker“ bezeichnet wurde. Wohl zum gleichen Betrieb dürfte der benachbarte Laden gehört haben, da sich dort ebenfalls ein Becken und sowie eine kleinere Stoffpresse fanden.

Es gab in Pompeii mehrere ähnliche Betriebe und sie waren nach dem grossen Erdbeben oft in ehemaligen Wohnhäusern untergebracht. Von einigen sind auch die Betreiber namentlich bekannt, so die fullonica des Dionysius im Haus des Kitharaspielers oder jene in einem Haus an der Via Stabiana unter der Leitung von Maenianus und Passaratus.

Kleine Walkerei

Die an der Via dell'Abbondanze gelegene kleine Werkstatt bestand nur aus einem einzigen Kammer. Ergonomisch gut platziert befand sich der ovaler Ofen in der Mitte des Raumes. Leider brachten die Ausgrabungen nichts zu Tage, was auf das Gewerbe oder dessen Besitzer hingewiesen hätte. So hat man alleine aus den Malereien der Walkerei des Verecundus - sie zeigen die Arbeitsschritte rund um einen in der Mitte gelegenen Ofen gleicher Bauart - geschlossen, dass es sich hier um eine kleine officina quactiliaria (Walkerei) handelte.

Blick vom Sommertriklinum
 in den Schankraum
im Thermopolium an
der Via dell'Abbondanza

e ludo computatrali "Pompei"


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

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(PL)