Version LV

STAAT
Die stadtrömischen Magistrate


QUAESTOR
AEDIL
PRAETOR
CONSUL

CENSOR
VOLKSTRIBUN

INTERREX
DICTATOR
MAG. EQUITUM
KONS.MIL.TRIB.

DECEMVIRI
DUUMVIRI
QUINDECIMVIRI
QUINQUEVIRI
TRIUMVIRI

PROMAGISTRATE

LAUFBAHN I
LAUFBAHN II
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Decemviri

Mit Decemvir wurde im alten Rom jemand bezeichnet, der Mitglied in einem Zehnmännerkollegium war. Solche Kollegien wurden für verschiedene Zwecke ins Leben gerufen und man fünf Gruppen unterscheiden:

Die Decemviri legibus scribundis

Dieses Gremium ist das bekannteste seines Namens und wurde erstmals im Jahre 451 v.Chr. anstatt der Konsuln einberufen. Die Aufgabe der Mitglieder bestand in der Kodifizierung und öffentlichen Bekanntmachung des praktizierten römischen Rechtes. Bis zu diesem Zeitpunkt waren vor allem den Plebejern die Gesetze nach denen Recht gesprochen wurde unbekannt bzw. die Gerichtsentscheidungen konnten nicht nachvollzogen werden. Auch war vieles nicht eindeutig geregelt und vieles hing davon ab, welcher Richter den Vorsitz bei Rechtstreitigkeiten innehatte.

So war klar, dass etwas getan werden musste, doch man wusste nicht genau welche Massnahmen zu setzen wären. Also sandte man eine hohe Delegation von drei Patriziern an jenen Ort, der in der damaligen Welt als der wichtigste Hort der Volksherrschaft galt: Athen. Dort sollten die Gesandten die Gesetze des Solon studieren und aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen Rückschlüsse auf die künftige Rechtsverfassung Roms ziehen. Nach ihrer Rückkehr und der Präsentation der Ergebnisse dieser dreijährigen legistischen Forschungsreise einigte man sich auf die Einsetzung ausserordentlicher Magistrate, da man sich der Wichtigkeit des Vorhabens bewusst war. So wurden zu den drei Gesandten und den amtierenden Konsuln noch weitere fünf Personen zu einem decemviratus (Zehnmännerkollegium) hinzugewählt.

Die Wahl zu diesem ausserordentlichen Magistrat erfolgte in den Zenturiatskomitien. Ob die von ihnen zusammengefassten Gesetze ebenfalls von diesen genehmigt werden mussten ist unbekannt. Die späteren antiken Schriftsteller gingen jedenfalls davon aus. Um den Decemviri eine optimale Arbeitsbasis geben zu können, fanden während ihrer Amtszeit keine Wahlen zum Konsulat und zum Volkstribunat statt, d.h. es standen sowohl Patrizier als auch Plebejer hinter ihren Entscheidungen.

Damit der Staat abseits der gewichtigen rechtlichen Komponente handlungsfähig blieb, wurde den Decemviri das imperium consulare (die Befehlsgewalt der Konsuln) verliehen. Die damit verbundene potenzielle Gefahr einer Gewaltherrschaft versuchte man zu mildern, indem täglich wechselnd ein anderer praefectus decemvirorum (Vorsitzender des Zehnmännerkollegiums) die klassischen Amtsgeschäfte der Konsuln führte. Zwecks Repräsentation gab man ihm zwölf Liktoren zur Seite.

Während der Herrschaft der Decemviri war die provocatio ad populum aufgehoben. Damit konnte ein zu Tode Verurteilter nicht das Volk, d.h. die Komitien, anrufen und eine eventuelle Aufhebung erreichen. Die vorübergehende Aufhebung wurde wohl deshalb gewählt, da auch gegenüber dem ausserordentlichen Magistratsamt eines Dictators diese nicht bestand und die Decemviri diesem in puncto Machtbefugnis sehr ähnlich waren. Auf der anderen Seite gab man dem Kollegium das Recht der intercessio (Veto). Damit konnte jeder Decemvir gegen die Amtshandlung eines Kollegen einschreiten und machte diese vorläufig unausführbar.

Die ersten Decemviri des Jahres 451 v.Chr. waren allesamt Patrizier. Sie schafften es der antiken Überlieferung nach zehn der zwölf Gesetzestafeln fertig zu stellen. Da die Arbeit noch nicht beendet war, wurde auch für das folgende Jahr 450 v.Chr. ein zweiter Decemviratus gewählt, der die beiden weiteren Texte kodifizierte. Ihm haben auch drei Plebejer angehört. Politisch brisant wurde die Lage in Rom, als dieses zweite Gremium unter der Führung von Appius Claudius in Widerspruch mit der römischen Verfassungstradition seine Amtszeit über das Jahr hinaus verlängerte und eine Willkürherrschaft errichtete. Daraufhin kam es zu einem Aufstand der Plebejer, der schliesslich das Kollegium zu Fall brachte. Die Aufstellung der erarbeiteten Gesetzesfafeln erfolgte erst unter den 449 v.Chr. gewählten Konsuln.

Mitglieder des ersten Kollegiums 451 v.Chr. Mitglieder des zweiten Kollegiums 450/449 v.Chr.
App.Claudius Crassus Inreg. Sab. (als Konsul) App.Claudius Crassus Inreg. Sab. (Patrizier)
T.Genucius Augurinus (als Konsul) M.Cornelius Maluginensis (Patrizier)
Sp.Veturius Crassus Cicurinus (hinzugewählt) M.Sergius Esquilinus (Patrizier)
P.Sestius Capito(linus Vaticanus) (hinzugewählt) L.Minucius Esquilinus Augurinus (Patrizier)
C.Iulius Iullus (hinzugewählt) Q.Fabius Vibulanus (Patrizier)
A.Manlius Vulso (als Studiengesandter) Q.Poetelius (Plebejer)
Ser.Sulpicius Cam. Corn. (als Studiengesandter) T.Antonius Merenda (Patrizier)
P.Curiatus Fistus Trigeminus (hinzugewählt) K.Duilius (Plebejer)
T.Romilius Rocus Vaticanus (hinzugewählt) Sp.Oppius Cornicen (Plebejer)
Sp.Postumius Albus Regill. (als Studiengesandter) M'.Rabuleius (Patrizier)

Die Decemviri litibus iudicandis

Dieses Richtergremium bestand bereits in der frühen Republik (vielleicht eingerichtet nach der Kodifizierung des römischen Gewohnheitsrechtes unter den obigen Decemviri) und war zuständig bei Prozessen rund um den status libertatis (Rechtsstatus der Freiheit) einer Person. In der römischen Rechtsverfassung stellte es eine Ausnahme dar, da die meisten Privatprozesse in iure vor dem Prätor verhandelt wurden und nicht wie hier in iudico vor einem Geschworenengericht. Ihre Wahl erfolgte vermutlich in den Tributarkomitien. Die Decemviri zählten zu den magistratus minores (untergeordneten Beamten) und gehörten damit in Summe einem grösseren Gremium, den viginisexviri (Sechsundzwanzigmännerkolleigum) an, welche niedere Verwaltungsaufgaben in der Stadt Rom wahrnahmen. Die Zuständigkeit blieb über die Jahrhunderte unverändert, bis Augustus ihnen die causae liberales (Freiheitssachen) entzog und sie zu Vorsitzenden der hastae centumvirales (d.s. die Ausschüsse des Zentumviralgerichtes) machte.

Die Iudices decemviri

Über dieses Gremium ist man kaum informiert. Die Mitglieder wurden 449 v.Chr. durch eine lex Valeria Horatia für politisch unangreifbar erklärt. Jedenfalls bestanden die Richter alleine aus Plebejern und es scheint, als hätten sie Streitigkeiten zwischen den Plebejern geschlichtet. Auch Arbeitsweise und Zusammenhänge mit dem Volkstribunat sind ungeklärt.

Die Decemviri agris dandis adsignandis

Die Mitglieder dieses Kollegiums waren ausserordentliche Magistrate, welche auf Basis einzelner Gesetze bzw. von Senatsbeschlüssen Landzuweisungen aus dem ager publicus (öffentliches Land) tätigten. Ihre Aufgaben entsprechen jenen der triumviri agris dandis assignandisque. Die höhere Mitgliederzahl ist einerseits mit Arbeitsentlastung, andererseits mit verstärkter gegenseitiger Kontrolle zu erklären.

Die Decemviri sacris faciundis

Bei diesen Männern handelte es sich um kein Rechtsgremium, sondern um ein Priesterkollegium im Rahmen der Quindecimviri (Fünfzehnmännerkollegium), welche kultische Handlungen im Bereich des Apollokultes und vor allem die Auslegung der Sibyllinischen Bücher wahrnahm.

Augustus nahm den Decemviri litibus iucandis die Entscheidungen über den Freiheitsstatus und machte sie zu Vorsitzenden in Gerichtsausschüssen.


Quellen: J.-C.Fredouille "Lexikon der römischen Welt", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)