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Provinz Dacia

Das Königreich der Daker

Im 1.Jh.n.Chr. waren die Daker in eine neue zivilisatorische Epoche vorgedrungen. Die natürlichen Ressourcen wurden durch die technischen und organisatorischen Errungenschaften der ausgehenden La-Tene-Zeit (Keltenzeit) ergänzt und für mehrere Völker nutzbar gemacht. Geten und Daker (beiden gehörten der Völkergruppe der Thraker an) profitierten von ihren Kenntnissen im Ackerbau sowohl in der Ebene als auch in mittleren und sogar hohen Lagen. Zahlreiche über das Land verstreute Speicher, oftmals sogar eigens an zentralen Orten angelegt, verdeutlichen die Bedeutung der Landwirtschaft und die Tatsache einer Überschussproduktion, die für einen kulturellen Aufstieg unabdingbar ist. So konnten sich Handwerk und Gewerbe über simple Gebrauchsgegenstände hinaus zu schöpferischer Tätigkeit entwickeln. Der Prozess umfasste alle Wirtschaftsbereiche von Eisen- und Silberschmiedekunst bis zu Wohnungs- und Festungsbau. Die Nähe zum Römischen Reich bedingte einen regen Austausch von Waren und Wissen und im 1.Jh.n.Chr. stand die getisch-dakische Kultur neben germanischem und sarmatischem vor allem unter römischem Einfluss.

Um die Mitte des 1.Jh.v.Chr. kam es zu einer ersten Einigung der zuvor von unabhängigen Fürsten regierten Stämme im Donaugebiet. Unter dem Dakerkönig Burebista wurde nicht nur das eigene Volk unter einer Krone geeint, sondern auch die Nachbarvölker unterworfen oder (wie etwa die Boier) vergedrängt. Nach der Ermordung des Königs um 40 v.Chr. zerfiel zwar das Reich rasch, dennoch waren die neuen Fürstentümer nicht mehr ganz so zersplittert wie früher. Erst über 100 Jahre später erreichte König Decebalus erneut die Vereinigung.

Für Geten und Daker war die Donau nicht nur Grenze sondern auch ein heiliger Fluss, der aber schnell völlig unter römischer Kontrolle stand. Scythia minor (die Dobrudscha) - schon unter Augustus von Rom abhängig - bildete einen für den Schutz des Imperiums am Unterlauf der Donau wichtigen Vorposten. Schon bald hatte eine intensive Romanisierung dieses Gebietes von verbündeten pontischen Stämmen aus eingesetzt. Das Ganze wurde gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung, allen voran Geten, Bastarner und Sarmaten, militärisch durchgesetzt. Schliesslich wurde das Land bis zur Donaumündung Teil der Provinz Moesien.

Aber nicht nur die Römer kämpften gegen die „Barbaren“, sondern auch untereinander bekriegten sich die Stämme auf das heftigste. Die Folge war ein beständiger Strom von Flüchtlingen. Tiberius Plautus Silvanus Aelianus, Statthalter Moesiens unter Nero, konnte 100.000 Bewohner des rechen Donauufers wieder in ihre angestammten Wohngebiete entlassen. Während der römischen Feldzüge freigekommene Gefangene der einzelnen Stämme wurden so repatriiert. Dies und diplomatisches Geschick hatten zur Folge, dass Rom Roxolanen, Bastarner und Daker für sich einnehmen konnte. Damit verbunden war eine weite Befriedung des nördlichen Donauufers ohne, dass das Gebiet besetzt hätte werden müssen. Eine Unterwerfung der Daker war damit natürlich nicht erreicht und schon während des Bürgerkrieges von 68/69 n.Chr. fürchtete man eine dakische Invasion Moesiens.

Parallel zur Sicherung der römischen Donaugrenze entwickelte sich die dakische Macht im Zentrum der Karpaten und dehnte sich schliesslich südlich des Gebirges nach Westen und Osten aus. Geschützt durch die umliegenden Gebirge stellten die Daker die grösste und organisierteste Bedrohung des römischen Gebietes dar, da sie es verstanden benachbarte Stämme für sich kämpfen zu lassen. Nicht nur die Geten, sondern auch Markomannen und Quaden, die im 1.Jh.n.Chr. im heutigen Böhmen sesshaft wurden, konnten notfalls aufgeboten werden.

Diese Tatsache war Rom nicht verborgen geblieben und eine tatsächliche Vereinigung der zahllosen Stämme vom Ober- bis zum Unterlauf der Donau hätte für das Imperium eine mehr als ernstzunehmende Bedrohung bedeutet. Schon Domitian erkannte die drohende Gefahr und begann dieser mit seinen Donaukriegen (85 bis 88) zu begegnen. Nur von mässigem Erfolg gekrönt wurden die Aktionen später von Nerva während seiner kurzen Regierungszeit fortgesetzt. Erst ein neuer Kaiser sollte das Endziel erreichen. Trajan rüstete systematisch zum Krieg gegen Dakien um es unter römische Kontrolle zu bringen.

Die dakische Kultur stand während dieser Zeit unter dem Einfluss von Decebalus, dem Dakerkönig von 86 bis 106 n.Chr. Er personifizierte den Freiheitswillen und die Widerstandskraft nicht nur seines eigenen Volkes. Daker und die gleichsprachigen Geten waren im 1.Jh.n.Chr. an der Schwelle zu einer eigenständigen Zivilisation angelangt. 40 grosse befestigte Städte bildeten wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche, religiöse und militärische Zentren. In jener Zeit erblühte die aristokratische Struktur der dakischen Gesellschaft. Die Rolle des Adels nahm gegenüber dem des Volkes zu. Dies manifestierte sich auch an der vermehrten Haltung von Sklaven.

Die zahlreichen über das gesamte Dakerreich verstreuten Festungsanlagen konnten sich mit jenen der „zivilisierten“ Welt Roms und Griechenlands durchaus messen. Ein reger Austausch von Ingenieurkunst hatte zu dieser Entwicklung beigetragen. Die Befestigungen bestanden oft aus einem Erdwall mit Palisaden und Graben. Typischer Lokalkolorit war der murus dacicus (dakische Mauer). Er bestand aus zwei parallelen Mauern aus behauenen Steinen, die untereinander mit Balken verbunden waren. Diese wurden mit Schwalbenschwänzen in die Steinblöcke eingebracht. Diese Konstruktion unterschied sich deutlich von der ansonst vorherrschenden Baukunst der Kelten. Die Anlage dieser Festungen erfolgte planmässig während des ganzen 1.Jh.n.Chr. Terrassen, Abwehrmauern aus Ziegeln und Bollwerke vermitteln noch heute die hohe Blüte der dakischen Architektur.

Sarmizegethusa war nicht nur Verwaltungsmittelpunkt sondern vor allem religiöses Zentrum. Dies zeigt sich in den zahlreichen Heiligtümern von runden und rechteckigem Grundriss mit steinernen Fundamenten oder Säulenanlagen. Zahl und Grösse der Bauwerke verdeutlichen die gewichte Rolle der Religion in der dakischen Gesellschaft. Sogar römische Schriftsteller erwähnten des öfteren die Taten dakischer Priester.

Aus dem Gebiet von Orastie sind Wohnungen in Turmform ergraben worden, deren Gestaltung hellenistischen Einfluss erkennen lässt. Der klassische Charakter zieht sich zur Zeit des Decebalus durch die gesamte dakische Kultur. Sogar lateinisches und griechisches Alphabet wurden für Inschriften übernommen.

Gegen Ende des 1.Jh.n.Chr. erreichte das Schmiedehandwerk seine Blüte, wie sich aus zahlreichen Eisengerätefunden erschliessen lässt. Wie wertvoll den Einheimischen dieses Werkzeug erschienen ist, kann aus Depots ersehen werden, die während der römischen Eroberung angelegt worden waren. Die Römer sollten speziell mit den dakischen Waffen unangenehme Bekanntschaft schliessen. Vor allem die sica (ein gekrümmter Dolch), Schwerter und falces (Krummsäbel), Pfeil- und Lanzenspitzen machten den Eroberern zu schaffen. Die dakischen Schilde waren mit Eisenplatten beschlagen und reich verziert (z.B. mit Pflanzenmotiven und dem Bild eines Auerochsens).

Während der Herrschaft von Nero wirkten sich die inneren Streitigkeiten der Daker auch auf römisches Gebiet aus.


 

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(PL)