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WIRTSCHAFT
Das römische Steuersystem


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Die Steuerveranlagung

Der Census

Um eine willkürliche Besteuerung zu vermeiden, müssen die Steuergegenstände im Detail erfasst bzw. entsprechende Angaben eingeholt werden. Dies ist nicht nur ein Grundsatz des modernen Finanzwesens, sondern galt auch für das Römische Reich. Das Steuersystem hauptsächlich auf Grund- und Kopfsteuern beruhte, mussten so die entsprechenden Daten über Personalstand und Grundbesitz erhoben und aufgezeichnet werden. Dabei gab es beträchtliche Unterschiede in der praktischen Ausführung, da die Römer bestehende Systeme einfach übernahmen und nur in Regionen ohne solche eigene Verfahren entwickelten. Bereits im 3.Jh.v.Chr. gliederte man deshalb das Finanzwesen des Hieron II. auf Sizilien ein. Mit exzellenten Katastern machte Rom in der zweiten Hälfte des 1.Jh.v.Chr. in Ägypten Bekanntschaft. In den weniger zivilisierten Gebieten der westlichen Provinzen orientierte man sich in republikanischer Zeit an der bestehenden Stammesorganisation.

Bereits während des Bürgerkrieges am Ende der Republik hatte Octavianus erkannt, dass die Steuererhebung viel zu willkürlich war und deshalb ging er daran die Steuerveranlagung wenigstens von ihren Grundzügen her zu normieren. Wichtigstes Instrument hierbei war der Provinzialzensus, wobei dem Initialzensus in neu organisierten Provinzen die grösste Bedeutung mit entsprechendem Aufwand zukam. Sämtliche Steuerschätzungen basierten auf diesen Erhebungen. So liess er nach der Kassierung Ägyptens 30 v.Chr. sofort einen Zensus durchführen; desgleichen drei Jahre später bei seiner Visitation Galliens. Der aus der Bibel bekannte Zensus in Iudaea wurde 6 n.Chr. nicht durch den Statthalter lokalen Statthalter, sondern von jenem im ranghöheren Syrien durchgeführt. Indes zeigte sich, dass in Regionen, wo bislang solche Vorgehensmassnahmen nur vom Hörensagen bekannt waren, die künftig Steuerpflichtigen durchaus ihr Heil in der Flucht suchten. Belegt ist dies etwa im Jahre 36 n.Chr. für den Stamm der Cieten in Kleinasien - sie flohen schlichtweg in die Berge. Ähnliche Verweigerungen einer Bodenaufnahme für Steuerzwecke sind noch im 18.Jh. Gang und Gäbe, als etwa in Österreich Kaiser Leopold den Josephinischen Lageplan seines Vorgängers zugunsten des alten (Maria-)Theresianischen Gültbuches zurücknehmen musste, das viel weniger detailliert war.

Die Verantwortung für einen Census trug der zuständige Statthalter und er war es auch, der die organisatorischen Mittel für die Durchführung zu stellen hatte. Da sich Familienstände und Besitzverhältnisse permanent änderten, mussten die Aufzeichnungen in regelmässigen Abständen an die Realität angepasst werden und kleinere Census durchgeführt werden. Im Falle von Naturkatastrophen, Kriegen oder nach Unruhen konnte sich die Summe der zu erhebenden Steuern signifikant ändern. Für diese Zwecke gab es eigene legati Augusti pro praetore ad census asccipiendos (Zensusspezialisten). Als Finanzspezialisten unterstützten sie den Statthalter bei der Neuschätzung der Abgaben.

Es war den Statthaltern und Provinzversammlungen überlassen die innere Finanzorganisation festzulegen und den Provinzsteuerbezirk für die leichtere Handhabbarkeit der Erhebung in kleinere Einheiten zu gliedern. Hauptsächlich orientierte man sich dabei an alten Stammesgrenzen. So wurde in der Gallia Lugdunensis verfahren, wo es zwei solche Regionen gab, jenen der Häduer und den gemeinsamen der Melder, Parisier, Senonen und Trikasser. Die Gallia Belgica teilte sich in drei; einen für die Remer, einen für die Ambianer, Atrebaten und Moriner und schliesslich einen für die Tungrer. Letzterer umfasste wegen der Erhebungseffizienz aber auch Gebiete der Bataver und Frisavonen jenseits der Provinzgrenzen. Diesen Steuerbezirken stand ein eigener censitor (Schätzungsbeamter) vor.

Da die antike Verwaltungsorganisation um Dimensionen kleiner strukturiert war als in der Moderne fanden solche Steuerschätzungen nur alle paar Jahre statt. Eine einheitliche Regelung scheint es nicht gegeben zu haben. In Ägypten wurden zwischen 30 und 10 v.Chr. die Register tatsächlich jedes Jahr überarbeitet. Erst nach dem Zensus von 10/9 v.Chr. wurden die neuen Schätzungen in siebenjährigem Abstand vollzogen. Ab dem Zensus von 33/34 n.Chr. gar nur alle vierzehn Jahre. Wohl hatte man aus den bisherigen Erhebungen genügend Wissen erhalten, um ausreichend gerechte Vorschreibungen vornehmen zu können. Diese Regelung hielt bis in die Krisenzeit Mitte des 3.Jh.n.Chr. Für Gallien ist man im 2.Jh.n.Chr. sehr gut über die Census informiert. Sie fanden 109, 125/126, 145/146, 161, 176 sowie 197/198 n.Chr. statt. In Thrakien datiert der Initialzensus in das Jahr 46 n.Chr. Die folgenden fanden alle entweder nach 15 oder 30 Jahren statt. Der stets abweichende vierzehnjährige Census für die Kopfsteuer in Ägypten wurde spätestens 257/258 n.Chr. abgeschafft und erst 312 n.Chr. in Angleichung an das Gesamtreich wieder aufgenommen.

Die konkrete Veranlagung

Aufgrund von Ausführungen des Rechtsgelehrten Ulpianus lässt sich die grundlegende Vorgehensweise bei der Veranlagung der Grundsteuer rekonstruieren. Rechtliche Basis bildete übrigens die forma censualis (Schätzordnung). Der possessor oder dominus (Grundeigentümer) hatte den fundus (Grundstück) mit seinem Lagenamen im Stadtbezirk anzugeben; daraufhin die Nutzung der letzten zehn Jahre (Äcker, Wiesen, Weiden, Zahl der gepflanzten Ölbäume und Weinstöcke) sowie Sondernutzungen (Fischweiher, Wildgehege) und die Gewinnung von Rohstoffen wie Salz. Gab es Pächter, so waren auch sie anzugeben. Damit schätzte der Eigentümer praktisch seinen eigenen Besitz und legte dadurch die Steuer fest. Dem Zensusbeamter oblag lediglich die Überprüfung der groben Korrektheit der Angaben und im Falle von Naturkatastrophen vorübergehende Nachlässe zu gewähren. Eine Überprüfung vor Ort fand scheinbar nur bei Verdacht einer groben Fehlangabe statt. Aus der Provinz Arabia ist etwa bekannt, dass die Steuerpflichtigen sich einfach ins Büro des Beamten begaben um dort ihre Erklärung mündlich oder schriftlich abgaben. Über groben Missbrauch dieses auf Vertrauen basierenden Systems ist tatsächlich nichts bekannt. Noch im 18.Jh. funktionierte die Veranlagung etwa in Österreich ähnlich!

Bezüglich der Kopfsteuer ist man am besten aus Ägypten informiert. Der laographos (Kopfsteuererhebungsbeamter) orientierte sich an den Häusern, zu denen die Bewohner samt Angaben über Alter, Familienstand, Verwandtschaftsbeziehungen aber auch Gewerbeausübung, befragt wurden. Das Ableben eines Steuerpflichtigen war umgehend an die Zensusbehörde zu melden. Anders verhielt es sich bei der Geburt, da man erst mit 14 kopfsteuerpflichtig wurde. In diesem Fall brauchte keine Meldung erstattet zu werden. Ebenfalls sofort zu melden waren in Ägypten alle grundbücherlichen Veränderungen. Die Angaben zum Vermögensstand an Mobiliar unterlagen eine jährlichen Überarbeitung. Wie auch in allen anderen Teilen des Imperiums nahm hierbei der Steuerpflichtige selbst die Bemessung vor.

Die Optimierung bei Verteilung der Steuerlast

Da die einzelnen Census in unregelmässigen Abständen vorgenommen wurden, war eine einheitliche Bemessungsgrundlage zu keiner Zeit gegeben. Auch die unterschiedlichen Steuersätze (in der Regel zwischen 10 und 20 %) bewirkten eine asymetrische Besteuerung je nach Wohnort. Verpachtetes Staatsland wurde allgemein höher besteuert. Für die kaiserlichen Domänen in der Provinz Africa Proconsularis waren 33 % fällig und in Ägypten verlangte man gar 41 % auf adäquates Land. Die Sätze der Kopfsteuer unterlagen einer noch grösseren Schwankungsbreite von 8 bis 20 Drachmen (=32 bis 80 Sesterzen) in den Städten und exakt dem Doppelten in den ländlichen Regionen. Auch die Art der Abgabenleistung beeinflusste den Grad der empfundenen Steuerlast. Für Cilicia, Hispania, Iudaea und Syria ist die Entrichtung in Geld vorherrschend, wohingegen es sich in Ägypten, Phrygien, Sizilien und Thrakien genau umgekehrt verhielt. Auch in den germanischen Provinzen stand die Naturalabgabe im Vordergrund. In den meisten Provinzen kamen beide Arten vor. Wie diese Aufteilung genau bemessen wurde ist unbekannt.

Um die Besteuerung von landwirtschaftlichem Grund und Boden zu vereinfachen, führte Kaiser Diocletianus Anfang des 4.Jh.n.Chr. das iugum als einheitliche Steuerrecheneinheit ein. Er wollte damit nur konsequent die bereits in Griechenland, Phrygien und Spanien bestehende Vorgehensweise fortführen. Aus einem spätantiken Rechtswerk aus Syrien kennt man die Grösseneinheiten, die mit einem iugum verbunden waren. 501 n.Chr. waren dies: 5 iugera (1,26 ha) Weinrieden, 20 iugera (5,04 ha) bestes Ackerland, 40 iugera (10,08 ha) mittleres Ackerland, 60 iugera (15,12 ha) schlechtes Ackerland, 220 Stämme erstklassige Olivenbäume oder 480 iugera (120,96 ha) Bergland. Leider wurden die entsprechenden Angaben zu Weideland nicht überliefert. Die gewünschte Vereinheitlichung scheiterte jedoch an der unterschiedlichen Grösse des iugum in den Provinzen, sodass die syrischen Angaben nicht einfach auf das Gesamtreich umgelegt werden können und in Krisenzeiten wurden auch die einzelnen iugera angepasst.

Gleiches galt für die Kopfsteuer mit seiner neuen Berechnungseinheit caput (Haupt). Grundsätzlich war sie für alle Familienangehörigen sowie Sklaven und auch Tiere zu bezahlen. In Ägypten war sie nur von Männern zu entrichten, in Syrien zahlten auch die Frauen. Für die Diözese Pontus ergibt sich folgende Relation: vor 386 n.Chr. zählte ein caput gleich einem Mann oder zwei Frauen, ab diesem Jahr zweieinhalb Männer oder vier Frauen. Darüber hinaus gab es eine erkleckliche Zahl von Befreiungen, wie etwa Soldaten und Veteranen.

Die komplexe Erhebungsmethode führte dazu, dass in einigen Provinzen die Kopfsteuer schliesslich abgeschafft wurde, so in Illyrien 371 n.Chr., in Syrien vor dem Jahr 377 n.Chr. und in Thrakien 393/395 n.Chr. Kaiser Konstantin erliess der Stadt Flavia Aeduorum (Autun) 7000 capita von Familienangehörigen, worauf noch 25.000 Einheiten zu bezahlen waren. Inwieweit sich die Einheiten mit den konkreten Personen deckten ist strittig. Seit Kaiser Honorius waren etwa Soldaten und Veteranen nicht nur vom Census, sondern erstere auch in der Höhe von 5 capita bei Naturalleistungen befreit. Darüber hinaus gehende Forderungen infolge eines grösseren Hausstandes mussten sie jedoch bezahlen. Bei den Veteranen lag der Satz bei 2 capita, je eines für sich selbst und die Ehefrau.

Der Kataster

Bereits in der frühen Kaiserzeit war es üblich zumindest die grossen Landgüter vermessen zu lassen und sie in eine forma (Katasterkarte) einzutragen. Diesen nach fixem Massstab ausgeführten Karten gab man schriftliche Beschreibungen bei. In Österreich gab es eine flächendeckende massstabsgerechte Eintragung von Grundstücken erst mit der Urmappe zum Franziszeischen Kataster Anfang des 19.Jh.!

Mit der zunehmenden Bemessungsdichte in der Spätantike entwickelten sich daraus erweiterte Katasterformen. Nun wurden auch Äcker, Weiden, Zahl von Rebstöcken & Ölbäumen sowie der Kolonen, Sklaven und Nutztiere angegeben. In Summe kamen dann die Zahlen für die iuga und capita heraus. Als diesen Kataster ergänzend wurden nun auch Bücher geführt, welche einzelne Dörfer und Städte auflisteten samt der Summe aller zu entrichtenden Steuern; teilweise sogar mit Angabe aller Grundstücke. Obwohl sich infolge die Diocletianischen Reformen keine durchgreifende Vereinheitlichung in der Bemessung des Steuerbaren ergab, so wurden doch in dieser Zeit die Kataster signifikant verbessert.

Aureus des Lucius Verus


Quellen: F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches", H.Kloft "Die Wirtschaft des Imperium Romanum", DeMartino "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Griechen" & "Die Römer", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)