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WIRTSCHAFT
Das römische Steuersystem


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Finanzaufsicht & Rechnungskontrolle

Die Finanzaufsicht über die Städte

Während der Republik lag die Finanzaufsicht bei den das aerarium (Staatsschatz) verwaltenden Quaestoren, wohingegen die Verfügungsgewalt alleine dem Senat zukam. Mit dem Prinzipat trat die Bedeutung des stadtrömischen Staatsschatzes weit hinter jenem des fiscus (kaiserliche Kasse) zurück, sodass schliesslich für das aerarium eigene untergeordnete Beamte - seit Augustus praetores aerarii und seit Nero praefecti aerarii - bestellt wurden. Damit war der "Staatsschatz" zu einem "Stadtschatz" von Rom herabgesunken.

Die römischen Kaiser waren darum bemüht die Finanzen der Städte in Ordnung zu wissen. Gab es Schwierigkeiten, so wurden die Stadthalter beauftragt etwas gegen Missstände zu unternehmen. Oft kümmerten sie sich direkt um die Regelung solcher Angelegenheiten, wie etwa aus den Briefen des jüngeren Plinius hervorgeht. Neben einer Kontrolle der Rechnungsführung, besorgte man auch die Verpachtung von brachliegendem Land oder die Rückforderung von widerrechtlich durch Private in Besitz genommene Ländereien der Städte. Bei manchen Projekten musste die Zustimmung des Statthalters eingeholt werden, so etwa für die Stadt Inri in der Hispania, wo eine öffentliche Kreditaufnahme ohne seine Einwilligung maximal 50.000 Sesterzen im Jahr ausmachen durfte. Benötigte die Stadt mehr, musste sie um Erlaubnis ansuchen. Mit solchen Massnahmen wollte man eine Komplettverschuldung der Kommunen vermeiden.

Manche Städte wehrten sich erfolgreich gegen statthalterlicher Eingriffe; so etwa Apamea in Bithynien, das Plinius die Durchsicht der Rechnungsbücher verweigerte und erfolgreich argumentierte, dies habe seit Beginn der römischen Herrschaft noch nie ein Statthalter getan und die Stadt verwalte sich ausschliesslich selbst. Andernorts war man dagegen manchmal froh über Anweisungen von oben, wenn lokale Honoratioren so mächtig geworden waren, dass man sich nicht getraute mit der vollen Härte des Gesetzes gegen sie vorzugehen oder schlichtweg die lokale Verwaltung ob der Grösse und Komplexität eines Problems überfordert war (vgl. hierzu die Rückgabe des von Privaten annektierten Gemeindegrundes in Pompeii).

Seit Domitianus wurde es immer mehr üblich, dass die Aufgabe nicht mehr der Statthalter alleine besorgte, sondern spezielle Magistrate hierfür herangezogen wurden. Der curator rei publicae (grch. logistes; Stadtkurator) wurde aus dem Ritter-, Senatoren- oder lokalen Dekurionenstand rekrutiert, was den Wünschen der Kommunen entgegenkam. Meist waren sie für mehrere Städte im Verbund zuständig, denn bereits damals hielten sich die Auswirkungen von lokalen Finanzkrisen nicht an die Gemeindegrenzen. Im Sinne der wechselseitigen Kontrolle war es durchaus gang und gäbe zwei Kuratoren parallel einzusetzen. Sie konnten sich als Experten voll auf die ökonomisch-rechtlichen Belange konzentrieren. Einige Städte im römischen Reich galten als „frei“ und über sie konnte der Statthalter (vgl. das Problem des Plinius) nicht entscheiden. Für solche Fälle bestellte der Kaiser direkt einen corrector (Staatskommissär) mit identen Aufgaben wie die Stadtkuratoren.

44 n.Chr. musste der Proconsul von Asia in die Finanzhoheit des Artemisions eingreifen - immerhin eines der bedeutendsten Heiligtümer der Antike. Er beseitigte die Misswirtschaft mit den Tempelgeldern und dem Verkauf der Priesterämter, leitete eine Schuldenreduzierung der Stadt ein, regelte die Finanzierung von öffentlichen Spielen und legte die Bedingungen für die Kreditaufnahme des Tempels fest. In traianischer Zeit besorgte der logistes Marcus Ulpius Appuleius Eurycles die Überprüfung von Stiftungen zur Abhaltung von öffentlichen Spielen in Aphrodisias. In Ephesos musste er entscheiden, inwiefern ältere oder beschädigte Kaiserstatuen aufbewahrt bzw. restauriert werden sollten und ob ein Staatssklave die Schulden für die hiesige Ratsversammlung eintreiben durfte. Einer seiner Nachfolger unter Antoninus Pius überprüfte die Rechnungsführung der obersten städtischen Magistrate.

Seit traianischer Zeit (besonders seit Marcus Aurelius) tauchen in Italien die Stadtkuratoren auf. Dies stand zum einen mit der sich verändernden ökonomischen Situation des römischen Kernlandes in Verbindung, zum anderen gab es in Italien keine Provinzverwaltung, sodass hier die Kuratoren quasi die Finanzhoheit eines Statthalters ausübten, wie folgendes Beispiel zeigt: In der Stadt Caere wollte ein kaiserlicher Freigelassener auf eigene Rechnung einen Versammlungsort für das Priesterkollegium der Augustales errichten. So war er an den Stadtrat herangetreten, ihm hierfür etwas vom Grund und Boden der Stadt in der Ecke der Säulenhalle der Basilika abzutreten. Die Stadträte wandten sich an den zuständigen Kurator und liessen sich ihren eigenen positiven Bescheid von ihm bestätigten.

Die in Italien damit verbundene Macht wurde im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut und seit Gallienus reihte man es als meist höchstes Amt in die städtischen Magistraturen ein. Gleichermassen verfuhr man übrigens ab 304 n.Chr. auch in Ägypten. Damit war das Amt nur mehr lokalen Honoratioren aus dem Dekurionenstand zugänglich, doch behielten sich die Kaiser stets das Ernennungsrecht vor und nutzten es auch.

Da die Steuererhebung in der Spätantike immer mehr um sich griff und auch die Korruption zugenommen zu haben scheint, wurde diese durch eigene defensores civitatum (Verteidiger des Volkes) überwacht. Diese befanden sich jedoch in einer Zwickmühle, da sie einerseits persönlich für die Steuerleistung hafteten und andererseits ungerechte Erhebung anzeigen sollten. Viele Amtsinhaber waren diesem Druck nicht gewachsen und entschieden im Zweifelsfalle für den Staat.

Die Kontrolle der Finanzverwaltung im Gesamtreich

Verwaltungstechnisch gesehen war römische Imperium in republikanischer Zeit mit der Schaffung von Provinzen völlig überfordert. Die Organisationsstruktur des Staates war immer noch auf die Stadt Rom ausgelegt und für die Provinzverwaltung gab es im Prinzip nur Provisorien. Dies galt besonders für die Rechnungskontrolle. Als sich gegen Mitte des 2.Jh.v.Chr. die Zahl der Beschwerden wegen Steuererpressung explosionsartig erhöhte, konnte man in Rom diese Umstände nicht mehr ignorieren. So wurde 149 v.Chr. ein eigener ständiger Gerichtshof für Erpressungsprozesse eingerichtet. Da eine Prozessführung in Rom für Provinzialen umständlich und teuer war und die dem Senatorenstand angehörigen Richter ihre Standeskollegen nicht wirklich belangen wollten, gab es nur wenige Prozesse und noch weniger Verurteilungen. Der bekannteste Prozess war - durch die Anklageführung durch Cicero - jener gegen Verres, den Statthalter von Sizilien.

Die unersättliche Gier der publicani (Steuerpächter) führte zu einer Kapitalanhäufung, die schliesslich auch zu ihrem persönlichen Untergang samt Machtverlust beitrug. Da die Bürgerkriegsparteien am Ende der römischen Politik stets in Geldnot waren, holten sie es sich einfach von den Reichen mittels Proskription. In diesem Punkt waren sich alle Triumvirn stets einig!

Ab 42/43 n.Chr. wurden die Finanzprokuratoren und die Steuersummen alle 15 Jahre einer regelmässigen kaiserlichen Kontrolle unterworfen. Aufgrund dieser Informationen konnte der Kaiser auch Steuererleichterungen oder gar einen Erlass - dieser galt für die letzten fünf Jahre - gewähren.

Neben der Kontrollfunktion vermittelten die Finanzprokuratoren zwischen oberster und unterster Staatsebene. Sie leiteten nicht nur die Gelder weiter, sondern sorgten auch dafür, dass es bei den Erhebungen zu keinen groben Unregelmässigkeiten kam. Immerhin oblag ihnen auch die Aufrechterhaltung der Quies  im Reich.

Waren alle Steuern eines Zeitraums erhoben, machte sich der Statthalter auf, um neben den Gerichtsangelegenheiten auch die Steuerleistung zu überprüfen. Die susceptores (Einnehmer) legten ihre Quittungssammlungen und der tabularius civitatis (städtischer Rechnungsführer) seine Listen vor. Gab es Unstimmigkeiten, so ermittelte der Statthalter die Ursachen. Die Überprüfung wurde natürlich nicht vom Finanzprokurator persönlich, sondern seinen beiden tabularii (Rechnungsführer) durchgeführt. Für die Spätantike ist eine viermonatliche Meldung über den Stand der Steuererhebung an die Prätorianerpräfekten belegt. Diese entsandten als zusätzliche Kontrolle in jede Provinz zwei tractatores (Kontrolleure). Dies war notwendig, da es nicht nur den lokalen Autoritäten, sondern auch den Statthaltern möglich war falsche Gewichte und minderwertige Münzen zu benutzen; von gefälschten Quittungen ganz zu schweigen.

Aureus des Lucius Verus


Quellen: F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches", H.Kloft "Die Wirtschaft des Imperium Romanum", DeMartino "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Griechen" & "Die Römer", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)