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Flavius Gratianus

Herrschaft

Als Gratianus die Regierung übernehmen musste, war er gerade einmal 17 Jahre alt. Seine erste Aufgabe war diplomatischer Natur. In einer wohl von seinem Lehrer Ausonius überarbeiteten Rede wandte er sich Anfang 376 an den Senat in Rom. Die innenpolitische Eiszeit sollte beendet werden. Das Schreiben löste im Gremium Erleichterung aus und der sowohl bei Christen als auch Heiden angesehene Senator Symmachus sah tatsächlich ein neues Goldenes Zeitalter auf die Römer zukommen. Eine grossangelegte Amnestie für die religiös-politisch Verurteilten der letzten Jahre sorgte zudem für Aufbruchstimmung. Unter den Amnestierten befand sich  möglicherweise auch ein Spanier mit Namen Magnus Maximus, der später den Tod des Kaisers herbeiführen sollte.

Hinter den Kulissen spielte sich unterdessen ein Machtkampf zwischen Theodosius dem Älteren, dem Kommandanten der Kavallerie im Westen, und dem Prätorianerpräfekten von Gallien, Maximinus, ab. Sie unterlagen schliesslich ihren gemeinsamen Gegnern und wurden exekutiert.

Gleichsam wurden einige korrupte Beamte und Berater seines Vaters, die allseits verhasst waren aus ihren Ämtern und Würden entlassen und einige sogar hingerichtet. Von Valentininanus I. den Senatoren verwehrte Posten wurden ihnen wieder zugänglich gemacht. Der Anteil soldatischer Beamten aus dem Donauraum wurde so wieder zurückgedrängt.

Im Jahre 377 waren die meisten hohen Ämter im Westteil des Römerreiches in den Händen von Mitliedern der Familie. Auch seinem Lehrer Ausonius verhalf er zu hohem Ansehen, in dem er ihn in den Jahren 375 und 376 zum quaestor sacri palatii (Justizminister) berief. Damit stand ihm eine weitere Karriere offen und er nutzte das Angebot. Er wurde Prätorianerpräfekt zunächst von Gallien, dann von Italien und schlussendlich von Africa.

Im August 376 schien sich Gratianus persönlich in Rom aufgehalten zu haben. Ein Beleg dafür könnten zahlreiche Gesetze sein, die den Status der Senatoren verbessern, der Stadt Rom mehr Prestige verleihen und die Nahrungsmittelversorgung sicherstellen sollten. Möglicherweise gab es sogar ein Treffen mit dem umstrittenen Bischof Damasus. Schon Valentinanus hatte über ihn die schützende Hand gehalten, denn dem Kirchenmann wurde Anstiftung zu mehrfachem Todschlag vorgeworfen. Die Taten hatten sich 366 ereignet, als Damasus und Ursinus in blutigen Auseinandersetzungen um den Bischofsstuhl der Hauptstadt stritten.

Wahrscheinlich von Damasus beeinflusst, vollzog der junge Kaiser einen Schritt, den noch kein Herrscher vor ihm gemacht hatte. Er legte den seit 12 v.Chr. ausschliesslich beim Kaiser liegenden heidnischen Titel des Pontifex maximus nieder. Praktische Erfordernisse hatte dieses Amt schon lange keine mehr bedurft und mit der Ablebung dieser Hülle war die endgültige Trennung zwischen Kaisertum und heidnischen Kulten vollzogen. Kein Kaiser sollte den Titel jemals wieder annehmen und er taucht erst bei den Renaissancepäpsten in verändertem - weil christlichem - Gewand wieder auf.

Auch ohne den Titel eines obersten Priesters fühlte sich Gratianus wie seine Vorgänger dazu bemüssigt, religiöse Fragen zur Causa prima der Innenpolitik zu machen. Im Hebst 381 berief er in Aquileia eine Bischofsversammlung ein und sorgte anschliessend für die Umsetzung ihrer Beschlüsse. In diesen wurde gesetzlich der Übertritt zu anderen Religionen wie Manichäismus, Juden- oder Heidentum verboten. Es folgten ein generelles Ketzereiverbot und das Vorgehen gegen die Donatisten in Nordafrika. Auch andere Bewegungen wie die Pricillianer in Spanien und Gallien wurden bekämpft. Im Sinne seiner dogmatischen Politik legte Gratianus den Grundstein für das spätere Papsttum, indem er dem Bischof von Rom eine hervorragende Stellung bei den innerkirchlichen Instanzen einräumte und das Verhältnis des Staates zur Kirche bei Gerichtsverfahren und der Vollstreckung kirchlicher Urteile regelte.

Valentinianus hatte aus der Regierung Iulianus’ seine Lehren gezogen und die Heiden nicht direkt verfolgen lassen. Diese Einstellung konnte er seinem Sohn leider nicht weitervermitteln. Gratianus erliess zwar vorerst keine Verbote gegen die alten Kulte, besetzte die hohen und höchsten militärischen und zivilen Ämter jedoch ausschliesslich mit Christen. Damit wurde der Westen des Römischen Reiches erstmals mehrheitlich von Christen verwaltet. Heidnische Amtsträger tauchen von nun an kaum mehr auf.

Seit den Jahren 379/380 korrespondierte der Kaiser mit dem politisch und rhetorisch erfahrenen Bischof Ambrosius und traf ihn auch mehrmals. Auch Damasus machte bei den folgenden Gesetzen seinen Einfluss geltend, sodass 380 das Edikt des Theodosius erlassen werden konnte, das allen Bewohnern des Römischen Reiches den christlichen Glauben nach dem nicaenischen Bekenntnis aufzwang.

Das Jahr 382 brachte so die endgültige Wende in der Religionspolitik. Die heidnischen Kulte wurden von zahlreichen Senatorenfamilien im Schutze der Reichshauptstadt Rom - jedermann schien bislang ohne gross nachzudenken akzeptiert zu haben, dass Konstantinopel der Hort des Christentums und Rom das Zentrum des Heidentums war - beinahe schon mit liebevoller Hingabe gepflegt. Viele in Rom sahen darin auch den Rest einer Grösse des Imperiums, wie sie nur unter heidnischen Kaisern existiert hatte.

Im Herbst/Winter 382/383 liess Gratianus ohne Vorwarnung den Altar der Siegesgöttin Victoria aus dem Senatsgebäude entfernen, der bereits zu Augustus’ Zeiten die Siege der römischen Zivilisation verkörpert hatte. Dem folgten andere Massnahmen gegen die alten Kulte. Schwerwiegend war etwa der Entzug der staatlichen Unterstützung für die das heilige Feuer hütenden Vestalinnen. Auch die Finanzierung stadtrömischer Feste, die mit Götterkulten in Zusammenhang standen wurde eingestellt. Die Steuerbefreiungen für heidnische Priester gingen ebenso verloren. Der enttäuschte heidnische Senator Symmachus sammelte während dieser Zeit eine Delegation und zog an den Hof von Gratian in Mediolanum (Mailand), wurde aber nicht einmal vorgelassen. Damit war das Schicksal der heidnischen Kulte besiegelt und die bislang einmalige religionspolitische Sonderstellung von Rom beendet.

Während seiner Herrschaft haderte Gratianus aussenpolitisch ständig mit Invasionen. Die beginnende Völkerwanderung warf ihre Schatten voraus und das Problem der Kriege mit den Barbaren an Rhein und Donau beanspruchte den Kaiser die meiste Zeit. Ständig musste Gratianus von einem Krisenherd zum nächsten eilen. Sein militärisches Hauptquartier schlug er deshalb in Treveri (Trier) auf.

Wegen der Gefahr eines erneuten alamannischen Vorstosses hielt sich der Kaiser 377 zeitweilig in Mogontiacum (Mainz) auf. Um mit den Goten fertig zu werden, forderte sein Onkel Valens im Osten Verstärkungen an, die ihm Gratianus zu diesem Zeitpunkt scheinbar gewähren konnte, da Einheiten aus Gallien abgezogen wurden.

Die Alamannen vermuteten eine Schwäche und nutzten dies, um auf das Reichsgebiet vorzudringen. Was sie nicht wussten, war, dass sich Gratianus gerade wieder in Mogontiacum aufhielt. Die überraschten Eindringlinge wurden bei Colmar geschlagen und die Römer sahen sich veranlasst bis in den Sommer 378 einen rechtsrheinischen Feldzug in den Schwarzwald zu unternehmen. Es sollte der letzte Vorstoss Roms über den Rhein werden.

Mit einer nur leicht bewaffneten Armee zog Gratianus die Donau abwärts nach Bononia Malata, Sirmium und Castra Martis in der Provinz Dacia Ripensis (früher Obermoesien). Ein dortiges Gefecht mit den sarmatischen Alanan ging unentschieden aus. Während des Feldzuges erkrankte der Kaiser und litt unter Fieberanfällen. Nach seiner Genesung konnte er dem Verwandten auch persönlich zu Hilfe eilen.

Doch noch bevor die Verstärkung angekommen war, hatte Valens die Initiative ergriffen und rannte in ein Desaster. Zwei Drittel der römischen Armee fand in der Schlacht bei Adrianopolis am 9. August 378 den Tod. Damit stand Gratianus im Alter von 19 Jahren an der Spitze des Gesamtreiches. Sein erst siebenjähriger Mitkaiser Valentinianus II. konnte ihm noch keine Stütze sein.

In dieser trostlosen Lage musste Gratianus auf die Ratschläge seiner Berater hören. Diese schlugen vor den gleichnamigen Sohn von Theodosius dem Älteren nach Illyrien zu schicken. Dessen Vater war als Magister militum ein erfolgreicher Heerführer gewesen und einer Palastintrige zum Opfer gefallen. So griff er auf den sich gerade in Spanien aufhaltenden 32jährigen Theodosius zurück, der bereits 374 an Donaugrenze gegen Eindringlinge gekämpft hatte.

Als Magister militum erwies sich Theodosius als Glücksgriff und die Grenze konnte wieder im Herbst und Winter des Jahres 378 hergestellt werden. So war es kaum verwunderlich, dass Gratianus den Held der Stunde am 19. Jänner 379 in Sirmium zum Augustus für den Osten berief und ihm die Sicherung der Balkangebiete übertrug. Das Gotenproblem wurde vorläufig auch durch Siedlungsmassnahmen entschärft, indem man Goten und Alanen in Pannonien ansiedelte. Damit war die römische Kultur in dieser Provinz am Ende. Fortan sollte sich Pannonien als Unruheherd diesseits der Grenze bemerkbar machen.

Da sich am Oberrhein die Alamannen wieder verselbständigt hatten, musste er selbst an seine eigene Grenze zurückeilen. Nach der erneuten Abwehr am Rhein, konnte Gratianus in den Jahren 380 und 382 die Lage im Donauraum mit diplomatischen und militärischen Mitteln weiter stabilisieren.

Die an den Grenzen wieder hergestellte Ordnung benutzte der Kaiser dazu, sich wieder innenpolitischen und damit religiösen Dingen zu widmen. Im Winter 382/383 residierte er in Mediolanum und erliess dort die bereits erwähnten Gesetze gegen die alten Kulte.

Rest einer Statue
Gratians


Quellen: M.Clauss "Die römischen Kaiser", C.Scarre "Die römischen Kaiser", M.Grant "Die römischen Kaiser", O.Veh "Lexikon der römischen Kaiser", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)