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Medizin im frühen Nahen Osten

Aus dem jüdischen Altertum ist keine rein medizinische Schrift erhalten geblieben, jedoch konnte das Alte Testament medizinhistorisch ausgewertet werden. Direktes Heilen von Ärzten ist kaum nachweisbar, doch gibt es einige Angaben bezüglich z.T. religiös motivierter Hygienevorschriften. Erst in der Septuaginta - der griechische Übersetzung des Alten Testaments in hellenistischer Zeit - zeigt Einflüsse damaligen medizinischen Wissens. Das Vokabular lässt jedoch diesbezüglich sehr zu wünschen übrig, sodass Schlussfolgerungen auf Krankheiten und medizinische Berufe kaum möglich sind. Immanent ist die Verrückung von Krankheit und Heil(ung) in die göttliche Sphäre (vgl. hierzu die 6. Plage der Ägypter). Selten werden Krankheiten nicht mit Schuld des oder der Betroffenen gleichgesetzt (so ein juckender Hautausschlag Hiobs).

Konkret angeschnittene medizinische Themen im Alten Testament sind: Abtreibung, Beschneidung, Hygiene (allgemeine, rituelle & sexuelle) sowie spezielle Lebensführung (Diätik) und Massnahmen bei Tod eines Kranken. An Krankheiten unterschied man zwischen drei Kategorien: dem schehin (allg. Krankheit, Seuche), Hautkrankheiten sowie zar'at (hebr. Aussatz; jedoch nicht immer als Lepra zu identifizieren!). Besonders letzterer wurde vor allem im Sinne von Unreinheit thematisiert. Diagnosen darüber stellten jedoch keine ausgebildeten Ärzte, sondern Priester in theologischem Kontext.

Erwähnung finden auch weitere medizinische Erscheinungen: Geisteskrankheiten (z.B. der Könige Saul & Nebukadnezar), geschlechtsspezifische Krankheiten der Frau (vor allem im Zusammenhang mit der Geburt) sowie Gonorrhae (Tripper) und Unfruchtbarkeit. Thematisiert wurden auch Missbildungen von Mensch und Tier - natürlich wiederum in theologischem Kontext. Verletzungen sind nur in kriegerischem Zusammenhang und hier auch nur beiläufig erwähnt.

Als Arzneien standen Balsam (aus Gilead), Mandragora (Alraune; u.a. als Schlafmittel, aber auch Aphrodisiakum) und Feigenkuchen in Verwendung. Auch Musik und Bäder im Jordanfluss standen auf der Liste der verordneten Heilmittel. Zudem ist auf die zahlreichen Heilungen der Propheten zu verweisen.

Das neue Testament ist vor allem in Bezug der Einstellung des Christentums zur Medizin eine wichtige Quelle. Krankheiten werden generell verallgemeinert oder nur durch einzelne Symptome (Fieber, Lähmung) beschrieben und sind aus Prinzip eine Folge von kollektiver Sünde. Bei Einzelerkrankungen finden sich jedoch überraschenderweise fast ausschliesslich naturgegebene Ursachen und kaum göttlicher Einfluss aufgrund individueller Sünde.

Die zahlreichen Wunderheilungen (besonders von aussichtslosen Fällen) sind nicht als medizinische sondern als historisch-theologische Ereignisse zu deuten, die den Übertritt in ein neues Zeitalter versinnbildlichen sollen. Im Gegensatz zum Alten Testament ist individuelle Krankheit nicht mehr als Strafe aufgefasst, sondern als Teilhabe am Willen Gottes. Gesundheit wird dementsprechend als offensichtlicher Friede mit Gott interpretiert, denn mit der Auferstehung werden alle Leiden beseitigt sein. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Wunderheilungen der christlichen Sphäre von jenen der nicht-christlichen (z.B. durch Vespasian in Ägypten).

Neben den Heilern, hatten auch die Rabbiner manchmal Kenntnisse der Volksmedizin. Echte jüdische Ärzte mit fundierter medizinischer Tradition sind erst für die römische Kaiserzeit fassbar (z.B. Thudos, 2.Jh.n.Chr.). Allerdings gab es einige Spezialisten, wie etwa den umman (hebr. "Handwerker"), der den Aderlass praktizierte. Mehr als in anderen Regionen war das Hinzuziehen von Ärzten als Gutachter bei Gericht im Nahen Osten verbreitet. Die über Handelswege ins Land gebrachten exotischen Bestandteile für Arzneimittel fanden rasch Eingang in das pharmazeutische Wissen des gesamten Mittelmeerraumes.

In der Spätantike wurden die griechischen Medizintexte von nestorianischen Christen ins Syrische übersetzt, die teilweise bis in das 9.Jh.n.Chr. Verwendung fanden. Dann erfolgte eine zweite Übersetzungswelle, die in die arabische Medizin einfliessen sollte. Eigenständige syrische Texte blieben selten, wie etwas das "Syrische Medizinbuch" eines unbekannten Autors vor dem 8.Jh.n.Chr.

Moderne Papyrus- Rekonstruktion eines ägyptischen Reliefs mit chirurgischen Instrumenten
(c) e libro M.Menghi, "Das antike Griechenland"


Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", M.Meier "Pest", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)