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ÄGYPTEN |
Byzaninische Medizin Die byzantinische Medizin umfasst die Heilkunst des oströmischen Reiches seit dem ausgehenden 4.Jh.n.Chr. bis zum Zusammenbruch des byzantinischen Reiches 1453 und teilweise noch darüber hinaus. Neben den konservativen Strömungen, die sich auf Galenismus, Hippokratismus und die Humoralpathologie stützten, bedingt dieser lange Zeitraum eine erkennbare Entwicklung des medizinischen Wissens in zwei Phasen. Die alexandrinische Phase (4. bis 7.Jh.n.Chr.) Nach dem Zusammenbruch des römischen Westens wurde die Medizin klassischer Tradition in der weithin nicht mehr verständlichen griechischen Hochsprache weiterbetrieben. Man verband die spätantiken Traditionen mit den neuen christlichen Gesichtspunkten. In dieser Zeit blieb Alexandria das Bildungszentrum und die hippokratisch-galenischen Lehren unverrückbares Vorbild für alle Ärzte. Die herausragendsten Autoren dieser Epoche waren Oreibasios, Aetios von Amida, Alexander von Tralles und Paulos von Aigina, die hervorragende medizinische Nachschlagewerke schufen. Diese Tradition endete abrupt mit der arabischen Eroberung Ägyptens im 7.Jh. und dem Verlust der südöstlich des Mittelmeeres gelegenen Provinzen. Damit verbunden war ein Exodus aller Gelehrten Richtung Konstantinopel (dies sollte sich gut 800 Jahre später in Richtung Westeuropa wiederholen). Am Kaiserhof konnte damit ohne grosse Unterbrechung das mitgebrachte Wissen in medizinischen Zirkeln weiter gepflegt werden. Die konstantinopolitanische Phase (7. bis 15.Jh.n.Chr.) Als neues Element in den (medizinischen) Wissenschaften kam die gelehrte Auseinandersetzung mit der neuen Grossmacht des islamischen Kalifats hinzu. Sie gab der Medizin neuen Auftrieb und man begann die alten Texte nicht nur einfach zu kopieren und zu vereinfachen, sondern sie durch neue Erkenntnisse zu erweitern und in vielen Bereichen zu konzentrieren. Wichtigstes und neues Instrument hierbei war die Kommentierung alter Texte, die bislang ohne zeitgenössische Hinweise einfach übernommen worden waren. Diese Kommentare beschränkten sich nicht nur auf eine Erklärung, sondern nahmen auch Änderungen am Originaltext vor, was schlussendlich in manchen Punkten die Autorität Galens in Frage stellte. Herausragende Autoren waren Paulos Nikaios, Leon der Arzt, Symeon Seth, Theophanes Chrysobalantes, Nikolaos Myrepsos und Johannes Zacharias Aktuarios. Bei aller Neuerung, hinkten die neuen Fachtexte in ihrer Ausführlichkeit und Qualität jenen der klassischen Tradition hinterher. Dafür entwickelte sich für den täglichen Gebrauch neben der wissenschaftlichen Tradition eine Zahl zum Teil anonym verfasster Texte, die in der Volkssprache verfasst waren. Diese Iatrosopheia genannten Schriften waren als medizinische Ratgeber für den Laien gedacht. Sie vermischen das klassische Ärztewissen, mit Erkenntnissen der Volksmedizin und magischen Praktiken. Als wirkliche Neuerung der byzantinischen Medizin kann die Etablierung des Hospitalwesens gelten, das auf Basis der christlichen Nächstenliebe sich auch über die Reichsgrenzen hinaus verbreitete und sogar in den arabisch besetzten Gebieten übernommen wurde. Damit einher ging auch erstmals eine nennenswerte Anstellung und Besoldung von Ärzten in diesen Einrichtungen. Einige dieser Hospitäler (vor allem in Konstantinopel, aber auch einige in den Provinzen) dienten parallel der Ausbildung der paides iatron (ärztlicher Nachwuchs). An Spezialisten bildeten sich neben der Gynäkologie Augen-, Haut- und Zahnärzte heraus. Die Krankenpflege in den erwähnten Hospitälern wurde nicht nur von selbstberufenen Laien, sondern immer mehr von geschultem Personal besorgt. Der intensive Kontakt mit den arabischen Nachbarn befruchtete auch die Arzneimittelkunde. Neue Pflanzen samt dem damit verbundenen Wissen erweiterten das medikamentöse Spektrum. Die Chirurgie verblieb auf dem hohen Niveau der klassischen Tradition und in einigen Bereichen wurden sogar Verbesserungen erzielt, so etwa in der Augenheilkunde, in der Harndiagnostik oder in der Pulslehre. Einige Krankheiten - wie die Tollwut - studierte man genau. Über Krankheit und Medizin bescheid zu wissen, galt als Bildungsideal. Viele Autoren anderer Sparten lassen in ihren Texten medizinisches Grundwissen und Verständnis erkennen. Unter dem Eindruck der grossen Seuchen (vgl. die Justinianische Pest) nahm das Interesse an der Behandlung hochgestellter Patienten (allen voran des Kaisers) zu. Diese wiederum beeinflussten die Wahrnehmung der ärztlichen Thematik auf ihre Weise und dadurch gelangte ein nennenswerte Anteil christlicher und magischer Ideologie in den medizinischen Wissensschatz. Der Gebrauch von Zauberformeln und Amuletten, der Einsatz der Astrologie für die Diagnostik sowie die sprunghaft ansteigende Zahl an Gebeten bildeten ein immanentes Element der byzantinischen Medizin bis in das 15.Jh. Damit erwuchs den in der klassischen Tradition stehenden Ärzten eine spirituelle Konkurrenz, die sich speziell im Heiligenkult und in der Hagiographie (Lebensbeschreibung der Heiligen) widerspiegelte. So verwundert es kaum, dass die Profession der Ärzte in diesen legendenhaften Berichten permanent kritisch beäugt wurde. Einem konstanten Schema gleich beschuldigte man Mediziner pauschal der Geldgier, dem mangelnden Glauben und der Unfähigkeit. Dem stellte man die quasi kostenlose und wirksame "Heil"-ung durch die "Heil"-igen gegenüber, die natürlich über die physische Krankheit hinaus auch für moralisches "Heil" sorgten. Die byzantinische Hagiographie bietet jedoch einen Fundus an historisch erschliessbaren Fakten. So ist daraus eine "flächenmässige" (nicht in modernem Sinn zu verstehen) Versorgung mit medizinischen Einrichtungen genauso zu erschliessen wie die Selbstverständlichkeit aller sozialer Schichten sich im ernsten Krankheitsfall an Ärzte zu wenden. Die arabische Medizin (8. bis 15.Jh.n.Chr.) Die Medizin der Araber basierte vom ausgehenden 8. bis zum frühen 10.Jh.n.Chr. ebenfalls auf dem klassischen Wissen der Antike; davor auf populärem Wissen der Volksheilkunde. Durch die Eroberung Alexandrias und des Nahen Ostens gelangte (trotz der Vernichtung der meisten Texte aus religiösen Gründen) ausreichend Material in die Kulturzentren der neuen Grossmächte von Bagdad und Damaskus. Man übersetzte konsequent alle verfügbaren Quellen auf Betreiben betuchter und interessierter Intellektueller. Vorgallenische Schriften kamen hierbei allerdings kaum zum Zug. Der arabisch-christliche Arzt Hunayn ibn Ishaq brachte gemeinsam mit seinen Schülern sowohl sprachlich als auch medizinisch korrekte Übertragungen von Galen und einigen hippokratischen Schriften ins Arabische zustande. Da sich unter den Arabern im 9.Jh. eine christlich-syrische Ärztetradition herausbildete, wurden diese Schriften auch ins Syrische übersetzt. Erst ab dem späten 9.Jh. begann sich die arabische Medizin vom gallenischen Vorbild zu lösen und durch die nun einheitliche Kultur für neue Aspekte (Perser, Türken) zugänglich zu werden. Dabei wurde versucht das klassische Gerüst aufrecht zu erhalten und durch die neuen Erkenntnisse anzureichern. Wie die Byzantiner schuf man nun seit dem 10./11.Jh. auch selbständig medizinische Nachschlagewerke. Byzantinische und Arabische Medizin standen seit dem 11.Jh. weit über den Kenntnissen im "germanisch" dominierten Westen. Die Kenntnisse sickerten nur langsam in lateinischen Übersetzungen in das Abendland ein. Erst die Eroberung Konstantinopels 1453 besorgte eine wahre Flut an neuem Wissen und begründete damit die wissenschaftliche Medizintradition des Westens. |
Mangelnde Getreidequalität bot in der
Antike ein grosses Potenzial für Massenerkrankungen |
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Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", M.Meier "Pest", "Der kleine Pauly" |
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(PL) |