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Imperialer Adler VICTORIA

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Victoria

Victoria (grch. Nike) ist die römische Personifikation des Sieges und günstigen Erfolges überhaupt. Ihre Entwicklung vollzog sich in Rom und Griechenland vollkommen parallel, sodass eine Gleichsetzung von Victoria und Nike problemlos vollzogen werden konnte. Dennoch unterschied man interessanterweise die beiden Gestalten. In Rom wurde fast ausschliesslich Victoria verehrt, die als höhere und universellere göttliche Kraft als Nike aufgefasst wurde. Letztere erscheint fast rein auf den Sieg beim Wettkampf beschränkt.

Mythologische Aspekte der Victoria/Nike hatten auf das römische Verständnis keinerlei Einfluss, da letztere vor allem die hinter einer Personifikation stehende Kraft verehrten. In Griechenland dachte man sich Nike als Tochter des Titanen Pallas und der Okeanos-Tochter Styx. Ihre Geschwister waren Bia (Stärke), Cratos (Gewalt) und Zelos (Eifer).

Die typischen Attribute der Victoria sind (Lorbeer)Kranz und Palmzweig, welche die ursprünglichen Siegestrophäen bei den Wettkämpfen in der grch. Palästra und den panhellenischen Spielen waren. Beides wurde in römischem Sinn ausgeweitet. Kranz und Palmzweig konnte auch jemand für sich reklamieren, der sein Leben "gewonnen", d.h. viele gute Taten vollbracht hatte. Zudem ist Victoria ein geflügeltes Wesen, das die Flüchtigkeit von Sieg und Niederlage symbolisiert. Beispielgebend für Victoriadarstellungen auf Münzen und in Form von Statuetten war die im Senatsgebäude stehende Nike-Statue. Sie zeigte die Göttin grazil auf der Weltenkugel, den Siegeskranz eilend vor sich her haltend.

Vorläufer von Victoria (diese war in Latium schon vor dem 4.Jh.v.Chr. bekannt) waren die jeweiligen Schutzgottheiten der Städte und Landschaften sowohl in Griechenland, als auch in Italien. Die mythische Beschützerin der Akropolis in Athen hiess etwa Nike Apteros (flügellose Nike), damit sie der Stadt nicht durch die Lüfte entkommen konnte. Der herausragende Stellwert von Victoria wird durch ihren beifügenden Charakter dominiert. In Griechenland hielt die Athene im Parthenontempel eine Nike in der Hand und auch das berühmte Zeusstandbild des Phidias zu Olympia besass eine Siegesgöttin als Attribut. In der römischen Siegessymbolik war sie es, die die Früchte des Erfolges überreichte. Dementsprechend bekränzte Victoria die Kaiser auf ihren Triumphbögen.

In Rom wurde der erste Victoriatempel - zeitgleich mit dem ersten Venustempel - im ersten Jahrzehnt des 3.Jh.v.Chr. auf dem Palatin errichtet. Diese enge Beziehung führte so weit, dass unter gewissen Gesichtspunkten beide Personifikationen zu einer verschmelzen konnten. Dies lag darin begründet, dass Venus in römischer Tradition vor ihrer Gleichsetzung mit der grch. Aphrodite ebenfalls "nur" eine Personifikation war.

Dies geschah in der mittleren römischen Republik, die eine Umbruchszeit auf allen Ebenen der römischen Gesellschaft - auch in der Religion - darstellte. Traditionelle Kulte, wie etwa des Mars, des Quirinus oder der Vesta verloren damals zusehends an Bedeutung. Der weiterhin vorhandene Drang nach Spiritualität manifestierte sich nun in den Personifikationen, die in der römischen Religion schon lange vorhanden waren, sich allerdings nie in diesem Masse durchgesetzt hatten. Victoria steht deshalb auch in engem Zusammenhang mit anderen damals eingeführten Personifikationen wie Concordia, Fides, Honos, Mens, Pietas und Virtus.

Da sie keine eigentlichen Götter darstellten, konnten sie den traditionellen Gottheiten beigegeben werden und erhielten dadurch eine zusätzliche Aufwertung. Aber auch umgekehrt belebte diese Erweiterung der Sichtweise ältere, damals bereits im Rückgang befindliche Kulte. Neben Venus gehörten auch Hercules durch seine Beinamen Victor (siegreich) und Invictus (unbesiegt) und Minerva zu jenen Gottheiten, die man mit Victoria in Verbindung brachte. Letztere vor allem durch grch. Bezug.

links: die bronzene Victoria von Brescia, Mitte 1.Jh.n.Chr. Die Stellung der Hände weist auf einen (nun fehlenden) Rundschild hin, auf dem die Göttin etwas schreibt. Ursprünglich scheint die Figur eine Venus (Victrix) gewesen zu sein, der man nachträglich Flügel angepasst hat.
ex libro E.Simon "Die Götter der Römer" (c) Neg.Inst.Rom. 62.225
rechts: Victoria mit Palmzweig & Kranz auf einem Globus; wahrscheinlich Larariumsfigur
ex libro E.Simon "Die Götter der Römer" (c) Antikensammlung Berlin

Die Einweihung des aedes Victoriae (Victoriatempel) am Palatin in Rom erfolgte am 1.August 294 v.Chr. durch den Consul Lucius Posumius Megellus. Am gleichen Tag wurde auch der Tempel der Spes seiner Bestimmung übergeben. Beide zusammen wurden sogar als "die beiden Victoriae" bezeichnet. Archäologische Grabungen konnten das Gebäude lokalisieren. Es stand schräg zu jenem der Magna Mater.

Ein zweiter Tempel, der Victoria Virgo (Jungfrau Victoria) geweiht, wurde am 1. August 193 v.Chr. durch Marcus Porcius Cato eingeweiht. Eine Renovierung erfolgte unter Kaiser Hadrian. Das Kultbild wurde im 1.Jh.v.Chr. auf Münzen verewigt. Demnach war es eine geflügelte thronende Figur mit einem grossen Palmzweig an der linken Schulter und einer Opferschale in der rechten Hand. Während des zweiten punischen Krieges bewahrte man im Victoriatempel vorübergehend den Meteor von Pessinus auf.

Victoria besass von Anbeginn eine militärische Komponente. Die Nähe ihrer Tempel zum Circus Maximus symbolisierte aber auch die Siege bei den Wagenrennen. Vom 20. bis 30. Juli wurden in Rom die Ludi Victoriae Caesaris (Spiele zu Ehren der caesarischen Victoria) abgehalten. Besonders deutlich wird Victorias militärische Bedeutung an jener Silbermünze, die mit ihrem Namen versehen war: der Victoriatus. Am Münzbild erscheint die Göttin mit Kranz und Tropaeum (Trophäenzeichen).

In Griechenland war das Tropaeum eine wichtige fixe Markierung in der Schlacht, bei den Römern war es tragbar und hatte religiöse Bedeutung. Die spolia opima (beste Beutestücke) wurden dem Iuppiter Feretrius auf dem Capitol geopfert. Auch Mars, Minerva und eben Victoria dachte man dieses Tropaeum zu. So verwundert es auch nicht, dass berühmte Feldherrn in der ausgehenden Republik, wie Caesar oder Pompeius sich auf eine persönliche Victoria oder Venus Victrix (siegreiche Venus = Victoria; auch Venus Gentrix) beriefen.

Nach der Beendigung der Bürgerkriege durch Augustus und der Renaissance zahlreicher alter Kulte wurde Victoria eine politisch motivierte Ehre zuteil, als eine Nike-Statue aus Tarentum in der Curia geweiht wurde. Am daneben hinzugefügten Altar opferten die Senatoren vor jeder Sitzung der Göttin. Die Statue dürfte auf einem pfeilerähnlichen Sockel gestanden haben. Cassius Dio berichtet von wertvollen ägyptischen Beutestücken, die an ihm angebracht worden waren. 26 v.Chr. kam der goldene clupeus virtutis (Ehrenschild) des Augustus hinzu. Auf ihm standen die vier kaiserlichen Tugenden virtus, clementia, iustitia, pietas erga deos patriamque (Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit, Pflichterfüllung gegenüber den Göttern und dem Vaterland), die rasch zu den allgemein anerkannten Vorbedingungen für die Vorherrschaft Roms wurden. Beim Begräbnis des Augustus beschloss der Senat die Statue dem Trauerzug vorantragen zu lassen.

Die über einem Globus schwebende Figur blieb fast 400 Jahre unangetastet. Im Herbst/Winter 382/383 liess Kaiser Gratianus sie ohne Vorwarnung  aus dem Senatsgebäude entfernen. Schon 384 bat der Senat um Wiederaufstellung der Figur (sie war folglich nicht zerstört worden). Der weltoffene Kaiser Valentinian II. war geneigt dem Ansinnen stattzugeben, wurde jedoch von den Kirchenvertretern zurückgepfiffen. Auch 391 konnte sich der Senat bei Kaiser Theodosius nicht durchsetzen; vielmehr kam es zu einer verschärften Heidenverfolgung.

Von der clupeus virtutis abgeleitet wurde in der Kaiserzeit die Darstellung der auf einen Schild schreibenden Victoria mit dem Text ob cives servatos (wegen der Rettung der Bürger; Anspielung auf das Ende des Bürgerkrieges) oder der Erwähnung eines bestimmten Sieges. Schlussendlich soll noch auf einen archaischen, aber dennoch weitverbreiteten, Victoriatypus eingegangen werden. Dabei wird die Göttin auf einem Stier kniend beim Schächten desselben dargestellt. Eine der ältesten Statuen hierzu war die stiertötende Nike an der Westseite der Nikebalustrade auf der Akropolis. Da der römischen Religion spezielle Blutopfer für Gottheiten eigentlich fremd waren, wurde dieses Bild hauptsächlich für Grabbauten und Darstellungen in Bezug auf Genien verwendet. Gleichzeitig deutete man damit den römischen (=Victoria) Sieg über die Barbaren (=Stier) an.

Durch ihre an Engel erinnernde Flügelgestalt ist Victoria jene antike Gottheit, die der Moderne künstlerisch am nächsten steht. Wohl auch aus diesem Grund wird oft vergessen, dass Engel vom Geschlecht her eigentlich männlich definiert sind (denn es heisst: DER Engel).

Die auf einen Schild schreibende Victoria auf einem Sesterz des Kaisers Vespasian

Der Hammerpreis dieser Münze beim Wiener Auktionshaus H.D.Rauch betrug EUR 2.600

Die ein Tropaeum mit einem Lorbeerkranz schmückende Victoria auf einem republikanischen Victoriatus aus der Zeit zwischen  211 und 208 v.Chr.
(c) incognatus

Schreitende und den Lorbeer reichende Victoria auf einem Denar des Gordianus II., Münzstätte Rom, 238 n.Chr.
ex commentario periodcio "money trend" 11/2008

Der Ausrufungspreis dieser Münze bei Helios Numismatik betrug EUR 4000



Quellen: H.Gärtner "Kleines Lexikon der grch. und röm. Mythologie", W.Vollmer "Wörterbuch der Mythologie", "Der kleine Pauly"

 

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