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Bacchus (Liber Pater)

Bacchus ist die römische Form des griechischen Dionysos, abgeleitet von Bakchos, einem der Beinamen des Gottes. Dionysos war der Sohn von Zeus und Semele, der Tochter des thebanischen Königs Kadmos. Die eifersüchtige Hera flösste Semele den Wunsch ein, den Vater ihres ungeborenen Kindes in seiner wahren Gestalt zu sehen. Sie konnte jedoch dem flammenden Inferno seiner Gestalt nicht standhalten und verbrannte. Zeus rettete das Ungeborene indem er es in seinen Schenkel einnähte und selbst austrug.

Nach der Geburt sorgte Hermes dafür, dass das Kind nicht Heras Rachsucht zum Opfer fallen konnte, indem er es auf die Erde brachte; ob zu den Nymphen von Nysa oder zu Semeles Schwester Ino ist nicht genau überliefert. Als Dank für seine Rettung vollzog er von Thrakien ausgehend einen Siegeszug durch das Menschenland bis Indien. Auf seinem Weg lehrte er den Menschen den Weinbau und die Kelterei. Folglich galt er als Gott der Fruchtbarkeit und des Weines.

In ekstatischen Festen und Umzügen sollten die Menschen die Mühen des Alltags und die Standesunterschiede vergessen. Als seine Begleiter traten Pan, Bakchen und Satyrn auf. Diese Ekstase konnte auch gewalttätige Züge annehmen. Wer sich seiner Macht widersetzte wurde grausam bestraft.

Ursprünglich und noch im 5.Jh.v.Chr. wurde Dionysos als alter Mann mit Bart dargestellt, der Iuppiter ähnelt. Im Laufe der Zeit wandelte sich jedoch sein Bild zu einem jugendlich-schönen Gott. Sein Symbol war zum einen der Tyros, ein mit Efeu und Weinlaub geschmückter Stab, zum anderen der Phallus. Oftmals erschien er auch in Tiergestalt (Löwe, Panther, Bär, u.ä.) und erschreckte Menschen, die nichts Gutes im Sinne hatten (so die tyrrhenischen Seeräuber, die ihn einmal gefangen genommen hatten und zu Delphinen verwandelt wurden). Auch wird er oft mit einem cantharus (griechischer Trinkbecher) dargestellt. Sein Kult ist auch eng mit der Geschichte der Ariadne verbunden. Diese war von Theseus auf der Insel Naxos zurückgelassen worden. Dionysos heirate sie.

Seine Beinamen waren Lysios und Lyaios (lat. Lyaeus; der Löser, Befreier bzw. Erlöser). Dies bezieht sich aber nicht etwa auf die lose Zunge nach dem Weingenuss, sondern auf die existentielle Erlösung, die Dionysos etwa Hera zu Teil werden lässt, um den Bann ihres Thrones aufzuheben.

Der Gott des Weines hat nicht nur eine positive Seite, die immer gerne dargestellt wurde, sondern auch eine andere, dunkle Natur. Sie drückt sich in der Verehrung von zwei Dionysoi aus, einem erlösenden Teil und einem rasenden Teil, der jemanden in den Wahnsinn treiben konnte.

Der Dionysos-Kult dürfte bis in frühgriechische Zeit zurückreichen. In Athen wurde er von Peisistratos im 6. Jh. v.Chr. zum Staatskult erhoben. Der Gott stand bei der attischen Bevölkerung in hohem Ansehen und ihm zu Ehren wurden zahlreiche Feste veranstaltet. Die altgriechische Tragödie dürfte ihre Wurzeln in Kultliedern für Dionysos haben. Auch die Komödie entstand in den Umzügen zu Ehren des Gottes. So wurde er zum Schirmherr der Theater. In jedem griechischen Theater gab es einen Altar.

Die Etrusker hatten mit Fufluns (auch Pacha genannt, in Anlehnung an Bakchos) eine eigene Form des Weingottes. Ihr Verhältnis sollte sich als nicht so kompliziert erweisen, wie es später die Römer handhaben werden. Sein Erscheinungsbild glich der ursprünglichen Form aus Griechenland als bärtiger Mann.

Ein Hauptgrund warum der Senat die Bacchanalien verbieten liess war, dass Männer und Frauen gemeinsam bei den Kulthandlungen teilnahmen. Eine Zeremonie, die auch von etruskischen Riten her bekannt ist. Sie erschienen in der mittleren Republik als fremd, da die anderen römischen Religionsbünde, wie die Arvalbrüder oder die Feiern der Bona Dea, nach Geschlechtern getrennt abliefen. Für die Bacchanalien waren aber gemischtgeschlechtliche Gruppen, an denen sogar Kinder teilnahmen, charakteristisch.

Links: Liber, Ceres, Diana & Silvanus am Trajansbogen in Benevent, um 114 n.Chr.;
Rechts: Orakelszene aus einem bacchantischen Mysterienfries in Pompeji, 1.Jh.v.Chr.

In Rom hatten es Bacchus - und daneben auch Venus - schwer. Ihr Wesen entsprach nicht der altrömischen pietas (Frömmigkeit). In den alten Kulten waren die Bereiche der Götter und der Menschen deutlich getrennt. So erwies man den Göttern Respekt, ahmte sie aber nicht nach. Und genau das war eine der charakteristischen Eigenschaften des Bacchuskultes. Ihm schrieb man die Fähigkeit zu, die Menschen so zu verwandeln, dass aus ihnen die Gottheit selbst heraus handelte. So wie Aphrodite von den Hierodulen begleitet wurde, waren eben die Bakchen die Begleiter des Dionyson Bakchos.

Der Beiname Bakchos wurde in Rom zu seinem Hauptnamen. Weit verbreitet ist auch die Bezeichnung Liber Pater, die als einzige rein lateinische Ursprünge aufweist. Bereits der Komödiendichter Plautus verwendet den Ausdruck vinipollens lepidus Liber (Weinmächtiger lieblicher Liber). Trotz des jung dargestellten Gottes verwendete man die religiöse Formelbezeichnung Pater (Vater).

Auch das Mysterienwesen rund um die Bakchen war dem offiziellen Staatskult fremd. Ein berühmter Senatsbeschluss aus dem Jahre 186 v.Chr., verbot die Abhaltung von dionysischen Mysterien, die Bacchanalia genannt wurden, im gesamten Einflussbereich Roms. Auch hier fehlt der Name Liber in den Dokumenten. Das Heiligtum des offiziell verehrten Gottes Liber lag auf dem Kapitol und wurde interessanterweise nicht in den Sog dieser Anordnung hineingezogen, obwohl die Durchdringung Liber und Dionysos sich schon bemerkbar machte.

Bereits in augusteischer Zeit war den Schriftstellern die ursprüngliche Bedeutung von Liber nicht mehr bewusst und sie setzten ihn mit Bacchus gleich. Die nicht zu übersehende Gemeinsamkeit beider Gottheiten liegt im Wein. Die staatlichen Weinfeste Roms wurden zu Ehren Iuppiters und Venus' abgehalten. Der Iuppiter zu Grunde liegende griechische Zeus hatte Dionysos zu seinem Sohn gemacht diesem den Weinkult überlassen.

In Italien hingegen gab es bei Göttern zu dieser Zeit keine Verwandtschaftsbeziehungen und so übernahm Iuppiter selbst die Kulte um den Wein. Sein flamen schnitt etwa die erste reife Traube und deutete damit den Beginn der Weinlese an.

Die Kluft zwischen Staats- und Privatkult klaffte hier deutlich auseinander und auch nicht Venus, die als Herrin über die Weingärten galt, konnte sie kitten. Die Bevölkerung wusste eben, dass Liber Pater der Gott des Weines war und man brachte ihm beim Keltern ein privates Opfer dar. Dieser Volksglauben blieb die ganze Republik hindurch erhalten und setzte sich in der Kaiserzeit auch offiziell durch. Das Bacchanalien-Verbot von 186 v.Chr. war im mittleren 1.Jh.v.Chr. bereits totes Recht und angeblich war es Iulius Caesar, der den Kult in Rom wieder offiziell einführte. Von nun an feierte man den Gott zur Weinlesezeit auch mit bachhantischen Mysterien. Die Quelle hierfür dürfte ein einheimischer Weingott gewesen sein, der sich vom eingewanderten Dionysos kaum unterschieden hat.

Auch die Beziehungen zwischen dem Gott und der Jugend sind Gemeinsamkeiten zwischen Dionysos und Liber Pater. An den Anthesterien (= attische Frühlingsfeste) fungierte Dionysos als Gott der Kinder und Jugendlichen. Alle Dreijährigen erhielten ein kleines Kännchen Wein und wurden in die Bürgerlisten eingeschrieben. Auch kamen Lehrer und Ammen zu Ehren. Im mysterischen Dionysos-Kult gab es Pubertätsriten, die mit dem Togaritus der Liberalia verglichen werden können.

Die Regelung des Kultes ging in Griechenland hauptsächlich von Apollo aus, der aber auch in Rom die Triumphprozessionen zu Iuppiter Capitolinus schickte. Von dieser Ausnahme abgesehen war Bacchus der Gott der Prozessionen. So kam es zu einem austauschbaren Verhältnis zwischen Apollo und Bacchus. Ab 212 v.Chr. war Apollo der Schirmherr in den römischen Theatern. Diese Regelungen des Staatskultes waren vorsichtiger Natur, der ausschweifende Religionsfeiern zu diesem Zeitpunkt fremd waren.

Eine bereits antike Erklärung für den Namen Liber setzt das Wort mit liber (frei) in Beziehung. In der Republik lässt er sich als Gott der politischen Freiheit nachweisen. Im Bundesgenossenkrieg zeigten Siegesmünzen das Bild des jungen mit Efeu bekränzten Gottes. Spätantike Quellen weisen auf den Umstand hin, dass der Silen Marsyas als Symbol der Freiheit in Gestalt von Statuen auf einigen Marktplätzen stand. Für Rom und die Kolonie Paestum lässt sich dies schon zu republikanischen Zeiten nachweisen.

Dionysos-Darstellungen finden sich überall im Römischen Reich, sowohl als Wandmalerei als auch in Dekorationen für Gefässen und Statuen. Das letzte grosse Epos der Antike, die Dionysiaka des Nonnos aus dem 5. Jh. n.Chr. ist ihm gewidmet. Im Mittelalter wurde er durch seine Attribute (Weinlaub und Efeu) zum Symbol des Herbstes. Seit der Renaissance galt ein trunken wirkender Bacchus als als Sinnbild für Lebensfreude und Genuss und noch heute kann man in Italien den Ausruf "Per Bacco" (Beim Bacchus!) hören.

Fulfuns, die etruskische Version des Dionysos; um 480 v.Chr.

 
 

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(PL)