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Provinz Germania inferior

Spätantike

Trotz seiner Grenzlage blieb Untergermanien bis in die Mitte des 3.Jh.n.Chr. eine friedliche Provinz. Germanische Vorstösse konnten von den Statthaltern meist noch vor der eigentlichen Grenze abgefangen werden. Aber auch Geldzahlungen hielten manche Plündererbande von einem Vorstoss ins Reichsgebiet ab.

Erstmals rückte die Gefahr von jenseits des Rheins in den Jahren 256/257 ins Bewusstsein der Bevölkerung. Kaiser Valerian hatte Teile der römischen Besatzung in den Osten für die Kämpfe mit Shapur von Persien abziehen müssen. Die Franken nutzten die geschwächte Verteidigung und drangen auf das Reichsgebiet vor. Viele Menschen verloren Hab und Gut und nicht wenige auch ihr Leben, wie man an einigen Massengräbern jener Zeit erkennen kann. Auch Tempelschätze wurden nun immer mehr vergraben. Bezeichnend einer Kölner Grabinschrift aus dem 4.Jh.n.Chr: Occissus in barbarico a franco (erschlagen in der Fremde von einem Franken). In der Folgezeit konnte die Grenze zwar gehalten werden, doch häuften sich die Einfälle dramatisch. Trügerische Ruhe und brutale Überfälle dürften sich ständig abgewechselt haben.

Seit dem Ende des 2.Jh.n.Chr. ist eine Landflucht festzustellen, die sich in den kriegerischen Zeiten der folgenden Jahrzehnte mehr und mehr verstärkt hat. Mit ein Grund dafür war die ständig steigende Steuerlast. Als Folge ging die Agrarproduktion mehr und mehr zurück; die Frankeneinfälle haben dann das Ihre dazu beigetragen. Wie problematisch die Situation war, erkennt man an Zwangsansiedlungen, mit denen man dem Problem Herr werden wollte. Trotzdem wurden immer mehr Landgüter und Gehöfte entweder geplündert, niedergebrannt oder einfach aufgegeben.

Parallel dazu war auch die Sicherheit des Gütertransportes - sowohl auf dem Rhein als auch überland - nicht mehr gewährleistet. Der Handel zwischen den Städten ging drastisch zurück. Importierte Luxusgüter etwa kamen kaum noch auf die Märkte der Städte und die Leute verarmten auch in den grossen Siedlungen. In weiterer Folge schrumpfte auch die Stadtbevölkerung und zog sich innerhalb gut verteidigbarer Kernfestungen zurück.

Die diokletianische Reichsreform brachte 294 für Untergermanien eine Bezeichnungsänderung von Germania inferior zu Germania secunda. Die Grenzen der Provinz scheinen nicht verändert worden zu sein. Die Provinz war Teil der Diözese Galliae.

Der Grabungsbefund zeigt dass die beiden letzten Jahrhunderte römischer Herrschaft in den germanischen Provinzen vom Überlebenskampf der Bevölkerung gekennzeichnet waren. Trotzdem gab es eine hauchdünne Oberschicht aus Grossgrundbesitzern und hohen Beamten, die sich auf ihre Landgüter zurückzogen und weiterhin einem traditionell römischen Lebensstil frönen konnten. Immerhin drückten sich nicht alle Reichen vor ihrer Verantwortung (und der Steuerlast), wie der Fall des Masclinius Maternus aufgrund einer Grabinschrift von 352 zeigt. Er war aktiver Ratsherr, Aedil, Duumvir, kaiserlicher Curator und Priester in Köln. Mithin war er vielleicht eine Ausnahme, denn private Stiftungen im öffentlichen Interesse - die ein Charakteristikum römischer Lebensart waren - wurden immer seltener und hörten sich schliesslich ganz auf.

Die Kaiser Konstantin, Iulian und Valentinan zogen im 4.Jh.n.Chr. mehr oder minder erfolgreich gegen die Franken zu Felde. Um die Reichsverteidigung zu verbessern, wurden vermehrt Militärbauten errichtet. Die abseits der Hauptverkehrsrouten liegenden Ortschaften wurden vielfach aufgegeben und die verbliebenen Städte stark befestigt. Beispiele für verstärkten Festungsbau sind Icorigium (Jünkerath), Tolbiacum (Züpich/D), Iuliacum (Jülich/D), Aquae Granni (Aachen/D), Traiectum ad Mosam (Maastricht/NL) und Ceuclum (Cuijk/NL).

Am niedergermanischen Limes mussten die Lager zwischen Carvium (Bijlandse Waard/NL) und Lugdunum (Katwik-Brittenburg/NL) um 260/270 aufgegeben werden. Die anderen Lager - wie etwa Bonna (Bonn/D) und Gelduva (Krefeld-Gellep/D) wurden teilweise in Steinbauweise verstärkt und mit bis zu 10 m breiten Gräben umgeben. Seit Konstantin erscheinen auch komplett neue Anlagen, wie Divitia (Köln-Deutz/D), die mit ihrer Bauweise der hervorspringenden Türme die Architektur des Spätantike verdeutlichen. In entlegenen Gegenden legte man auch Fluchtburgen an, wenn auch für Niedergermanien noch keine eindeutig erwiesen ist. Entlang des Rheins entstanden (wie auch an der Donau) zahlreiche Kleinkastelle, sogenannte Burgi, die von kleinen Truppenkontingenten bemannt waren. Lag ein Burgus am Wasser, so nannte man die Soldaten Ripenses.

Die grosse Ausnahme unter den veränderten Rahmenbedingungen war die Hauptstadt Agrippina (Köln/D). Sie hatte ihre Grösse bewahren können und noch in der 2. Hälfte des 4.Jh.n.Chr. wurde der grosse Palast des Statthalters neu erbaut. Vergleichbare Siedlungen wie Tungrorum (Tongeren/B) und Traiana (Xanten/D; Reduzierung des Stadtgebietes von 83 auf 16 ha!) schrumpften und bauten ihre neuen Verteidigungsanlagen mitten in die alten Siedlungen.

Um 459 eroberten die Franken Köln und nahmen das Land auch offiziell in Besitz; zu schwach war die Römische Macht gewesen, das Grenzland zu halten. Die Franken waren keine Stadtmenschen an sich und bereicherten das städtische Leben nicht in dem Masse, wie es die Römer getan hatten. Für Kontinuität sorgte nun das Christentum, das sich vor allem in den verbliebenen Siedlungen entwickeln konnte. Das einfache Volk blieb in der Provinz erhalten. Lediglich die hochgestellten Persönlichkeiten mussten die Flucht ergreifen, wie etwa aus einem Text des Klerikers Salvianus aus dem Jahre 440 hervorgeht.

Unter Kaiser Valerian kam es zum ersten grossen Vorstoss der Franken auf römisches Gebiet.


 

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(PL)