Herkunft, Jugend & Karriere

Leo wurde 401 in Thrakien geboren. Seine Familie gehörte dem Stamm der Bessen an, die vermittels des in einheimischer Sprache predigenden Niceta - dem Bischof von Remesiana - während der Kindheit Leos zum Christentum konvertierten.

Als Kaiser Marcianus Anfang 457 verstarb, war Leo bereits weit über 50 Jahre alt und sicher nicht jener Thronkandidat gewesen, den sich die meisten erwartet hatten. Im Prinzip hätte das Amt entweder an Anthemius gehen sollen, der des Kaisers Schwiegersohn war, oder an Aspar, der den militärischen Oberbefehl inne hatte. Letzterer zog allerdings die Rolle des Kaisermachers jener des Kaisers selbst vor. Ausserdem hing er dem arianischen Glaubensbekenntnis an, sodass eine Kandidatur für ihn schwierig gewesen wäre.

So fiel die Wahl auf Leo, der zu diesem Zeitpunkt als Militärtribun die Garnison von Selymbria (Siliwri an der Nordküste des Marmarameeres) leitete und die dort stationierte Legion der Mattiarii Seniores (mit Lanzen ausgerüstete leichte Infanterie) befehligt. Nur eine Tagesreise von Konstantinopel entfernt konnte er sich schon am 7. Februar 457 von den Truppen zum Kaiser ausrufen lassen. Die folgende Krönungszeremonie sollte die nächsten fünf Jahrhunderte Bestand haben und der byzantinische Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos nahm sie in sein Zeremonienbuch auf. Durch dieses hat man Kenntnis über den Krönungsvorgang Leos erhalten.

Leo wurde vor den Toren der Stadt von den versammelten Würdenträgern des Reiches empfangen und mit Segenswünschen ausgestattet. Nach zwei Bekrönungen und weiteren Wünschen bildeten die ihn umgebenden Soldaten eine Schildkröte, sodass der Mann von allen Blicken abgeschirmt war. Unter diesem Schutz legte man ihm den kaiserlichen Purpur und das Diadem um. Anschliessend zeigte er sich mit Schild und Speer den versammelten Massen und sprach die erste Amtshandlung aus: ein Donativum an die Soldaten.

Alsdann folgte der Weg des Kaisers durch die Stadt an ausgewählten Plätzen vorbei in die Hagia Sophia, wo Patriarch Anatolius den Zug empfing. Leo war der erste oströmische Kaiser, der sich vom Patriarchen krönen liess. Dies sollte für die nächsten Jahrhunderte verbildlich werden. Die Gründe hierfür sind unbekannt, dürften jedoch in gleichgerichteten Interessen sowohl des Kaisers als auch des Patriarchen liegen. Überhaupt versuchte Leo Synergien durch ähnliche Interessen zu nutzen. Der unterlegene Thronanwärter Anthemius wurde deshalb nicht nur am Leben belassen, sondern auch wieder als Kommandant militärischer Unternehmungen eingesetzt. Aspar blieb weiterhin oberster Heermeister und sein Sohn Ardaburius wurde Heermeister an der ruhigen Grenze zu den Persern.