GEOGRAFIE |
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PESSINUS ALPHABETISCH |
Pessinus (Ballihisar/Türkei) Lage der Stadt Pessinus war eine Stadt im Grenzland zwischen Phrygien und Galatien in Kleinasien. Bereits in vorantiker Zeit scheint hier im oberen Flusslauf des Sangarios (Sakarya) eine Ansiedlung am Flüsschen Gallos mit lokalem Kultheiligtum der Kybele bestanden zu haben. Heute befindet sich an dem Ort nur noch ein Dorf mit Namen Ballihisar - 13 km von der nächsten Stadt Sivrishisar entfernt. Zum Stadtgebiet gehörte auch der markante heilige Berg Dindymos. Die älteste Zeit Im Stadtgebiet selbst konnten bislang kaum Funde aus phrygischer Zeit gemacht werden, was vermutlich daran liegt, dass in jener Epoche vor allem die Hügel im Norden und Nordosten besiedelt waren. Eine ergrabene Bronzezeitanlage im Ausmass von gut 10 ha beinhaltete nicht nur Kammergräber, sondern auch einen Stufenaltar, rituelle Becken und Weinpressen. Die hellenistische Epoche Von einer geschlossenen Siedlung konnte erst ab dem 4.Jh.v.Chr. gesprochen werden und grössere Tempelanlagen lassen sich frühestens für die späthellenistische Zeit im 3./2.Jh.v.Chr. nachweisen. Mit dem Zusammenbruch des fragilen Alexanderreiches gehörte Pessinus dann für gut 150 Jahre zum Seleukidenreich, ehe sich die Dynastie der Attaliden in Pergamon sich grosser Teile Kleinasiens bemächtigte. Wegen ihrer überregionalen religiösen und ökonomischen Bedeutung versuchten die dortigen Könige auch Pessinus zu gewinnen. Von 183 v.Chr. an unterstand für 17 Jahre ganz Galatien dem Eumenes II. von Pergamon. Infolge seines undurchsichtiges Verhalten während des 3. Madekonischen Krieges und der Kontakte zu Perseus erklärten die Römer 166 v.Chr. Galatien für unabhängig. All dies hatte für die Stadt fast keine Auswirkungen. In dem Masse, wie die Bedeutung des Tempels stieg, vermehrte sich auch die Bevölkerung. Auch negative Einwirkungen von aussen konnten dem Ort keine nennenswerten Schäden beifügen; wie etwa der Kelteneinfall von 278 v.Chr. Vielmehr siedelte man später den Stamm der Tolistoagier westlich von Pessinus und Gordium an, als die lokalen Priester 189 v.Chr. dem römischen Konsul Gnaeus Manlius Vulso am Sangarios entgegenzogen und im Namen der Göttin den Römern den Sieg über die Kelten verkündeten. Die Siedler prägen den neuen Namen der Gegend: Galatien (Land der Kelten). Die Macht in der Stadt lag in den Händen der galloi (Kybelepriester; der Oberpriester trug den Titel Attis, sein Stellvertreter den Titel Battakes), sodass durchaus von einer Theokratie gesprochen werden kann. Die häufigen und blutigen innenpolitischen Verwicklungen Kleinasiens im 3. & 2.Jh.v.Chr. wurden durch kluge Führung so gut es ging von der Stadt fern gehalten. Auch später versuchten Attaliden und Seleukiden in Galatien wieder an Einfluss zu gewinnen. Lokale Streitigkeiten mussten mehr als einmal die Römer schlichten. Ende des 2.Jh.v.Chr. bedrohten die Könige von Pontos die Stadt. Seit der Zeit des römischen Bürgerkrieges mussten die Tetrarchen in Galatien von Rom bestätigt werden. Des Geldes wegen verkauft der Volkstribun Publius Clodius Mitte des 1.Jh.v.Chr. das Amt des obersten Kybelepriesters (und damit die Herrschaft über Pessinus) dem Tetrarchen Brogitarus. Quasi als Draufgabe verschaffte ihm Clodius auch noch den Königstitel über Galatien und liess diesen lege tribunica (durch Volksbeschluss) bestätigen. Pessinus unter römischer Herrschaft Obwohl bereits an drei Seiten von römischen Provinzen umgeben konnte sich Galatien bis in augusteische Zeit als römischer Klientelstaat unabhängig erhalten. Erst 25 v.Chr. erfolgte nach dem Tod des letzten Tetrarchen Amyntas (im Kampf gegen pisidische Bergstämme) eine Eingliederung in das römische Provinzialsystem und Pessinus wurde mit verringertem Territorium endgültig Hauptort des Stammes der Tolistobogier. Parallel erfolgte weiterhin der Ausbau zu einer überregionalen hellenistischen Polis mit weiterhin eigener Münzstätte, doch mussten die Kybelepriester die Macht an eine gewöhnliche Zivilverwaltung griechisch-römischer Prägung abgeben. Unter Kaiser Augustus versah man die Stadt mit einer marmorgedeckten Kanalisation, deren Zentralstrang beachtliche 11 bis 13 m in der Breite und mehr als 500 m in der Länge mass. Die Grösse erklärt sich aus der ständigen Hochwassergefahr durch den Fluss Gallos. Parallel errichtete man Portiken, im 2.Jh.n.Chr. Doppelkolonnaden und vor dem 3.Jh.v.Chr. ausgedehnte Treppenanlagen. Abgerundet wurde diese öffentliche Fläche durch Promenaden aus dem 1.Jh.n.Chr. (renoviert und erweitert im 1.Viertel des 3.Jh.n.Chr.) bis hin zu einem Triumphbogen aus der Zeit der Severer. Das grosse Theater der Stadt wurde wohl bereits in vorrömischer Zeit erbaut und unter Hadrianus renoviert und verschönert. Dieser Kaiser stiftete auch zu Ehren eines Künstlerkollegiums mystikoi agones (dionysische Wettkämpfe). Reste des Heiligtums der Kybele in
Pessinus Mitte des 3.Jh.n.Chr. zogen die Goten plündernd durch Kleinasien und beschädigten dabei auch Pessinus. Der Wiederaufbau ging jedoch rasch vonstatten und über zerstörte hellenistische Gebäude baute man teilweise luxuriöse Stadtvillen und später Häuser byzantinischen Stils. Durchgehende Baugeschichten vom 1.Jh.v.Chr. bis in das 7.Jh.n.Chr. sind für Pessinus nicht untypisch. Die Wasserversorgung sicherte ein geniales Netz aus Terrakottaleitungen aus der Zeit der iulisch-claudischen Kaiser. Das kühle Nass wurde aus einem mehrere Kilometer langen Aquädukt - ebenfalls mit Terrakottaröhren - bezogen, das sich entlang der Strasse von Amorion nach Germakoloneia dahinzog. Spätantike Selbst in der Spätantike blieb Pessinus weitgehend von Katastrophen verschont und auch das Christentum konnte dem Wallfahrerstrom zunächst nur wenig anhaben, wohingegen die politische Bedeutung vollkommen verloren gegangen war. Nach der Reichsreform des Diocletianus blieb Galatia interessanterweise ungeteilt, was vielleicht an der friedlichen Binnenlage gelegen haben mochte. Erst 399 n.Chr. teilte sie Kaiser Arcadius in Galatia prima und Galatia secunda (bzw. salutaris oder salutaria), wobei Pessinus das neue politische und religiöse Zentrum von letzterer wurde. Nach dem Gotensturm wurden in den folgenden Jahrzehnten nicht nur Privathäuser neu errichtet, sondern auch kommunale Bauten. So platzierte man nahe des Sebasteions eine Basilica. Anfang des 6.Jh.n.Chr. konnte der Bischof Georgios mit einem Gefolge aus angesehenen aber auch einfachen Bürgern den Theodor von Sykeon dazu bewegen sich der Bekämpfung einer Dürreperiode anzunehmen. Es ist unbekannt, wie die Massnahmen aussahen, doch verursachten sie bald darauf eine Überschwemmung eines westlichen Stadtbezirks. Deshalb errichtete man auf dem zerstörten Areal ein Schleusensystem, um dem Hochwasser des Gallos endgültig Herr zu werden. Ende des 6.Jh.n.Chr. wurde das Gelände des Kybeleheiligtums eingeebnet und in eine schlichte Wohngegend verwandelt. Auf dem nahen Vorplatz baute man Werkstätten und nutzte dabei die Baumaterialien des Tempels. Die letzten erkennbaren Instandsetzungsarbeiten aus antiker Zeit datieren vermutlich in das frühe 7 n.Chr. und betrafen die Promenade entlang der Kanalisation. Das byzantinische Pessinus Vom 6.Jh. bis Ende des 12./Anfang des 13.Jh. titulierte man Pessinus oft als Ioustinianopolis. In diesem Zeitabschnitt wurde die Stadt zusehends zum Kriegsschauplatz und die zahllosen Einfälle der Araber zwischen 641 und 931 n.Chr. fügten dem Gebiet verheerende Schäden zu. Nach der Aufgabe des Tempels sank Pessinus zu einem unbedeutenden Ort herab. Ende 715 n.Chr. eroberten die Araber ganz Galatien und zerstörten nicht nur die Nachbarstadt Orkistos, sondern auch Pessinus. Wegen der ständigen Invasionsgefahr zogen sich Verwaltung und Kirche immer mehr aus der Stadt zurück und in dem Masse wie Pessinus verlassen wurde, nahm die Bedeutung von Amorium zu. Anfang des 9.Jh.n.Chr. scheint man den Bischofssitz kurzfristig in das sicherere Spaleia verlegt zu haben. 860 n.Chr. verlor Pessinus seinen Status als Bischofssitz endgültig an Amorium. Im Zuge der Reorganisierung des Byzantinischen Reiches verlief nahe der Stadt die Themengrenze. Pessinus gehörte zur Theme Opsikion mit der Hauptstadt Ankyra, die nun wichtigere Nachbarstadt Amorium teilte man der Theme Anatolikon zu. Mit dieser Massnahme scheint der Abzug an Zivilverwaltung gestoppt worden zu sein, wie ein gefundenes Siegel des Kaisers Basileios (976-1025) nahe legt. 1071 wurde Byzanz in der Schlacht von Manzikurt vernichtend geschlagen, doch ist nicht bekannt, wann Pessinus genau unter die Herrschaft der Seldschuken kam. Die Münzfunde weisen alle das dritte Viertel des 11.Jh., doch wurde in den Notitiae Episcopatuum (eine Liste der Metropolitensitze) des 14.Jh. Pessinus weiterhin als Metropolis geführt. In eben dieses Jahrhundert dürfte aber die endgültige Aufgabe des Ortes zu legen sein. Die Aufrechterhaltung eines Bischofssitz in den Annalen ist dann wohl eher im Lichte von Postenvergaben und dem byzantinischen Anspruch einer Wiedereroberung zu sehen. Militär Bis in die Spätantike war Pessinus nie eine Garnisonsstadt gewesen. Im Zuge der Abwehrmassnahmen des Valens gegen seinen Rivalen Procopius liess der Kaiser zum ersten Mal Truppen in ein neu errichtetes Fort nach Pessinus legen. Infolge der sicheren Binnenlage wurde die Stadt nie mit einer Mauer umwallt, sodass auch in der Spätantike die Sicherheit nur von einem System aus Wachtürmen und kleinen Forts im Tal und auf den umgebenden Hügeln gewährleistet wurde. Hervorzuheben ist dabei eine Festung, das in der ersten Hälfte des 6.Jh.n.Chr. direkt auf einer Nekropole (in Benutzung vom 2.Jh.n.Chr. bis in die 2.Hälfte 5.Jh.n.Chr.) errichtet worden war. Es beeindruckte vor allem durch seine monumentalen Mauern mit Wachtürmen. Im Inneren gab es zwei Höfe, wobei der innere grössere Bauwerke enthielt und der äussere kleine Wohneinheiten und Werkstätten. Die Wohnungen bestanden aus einem oder zwei Räumen und beinhalteten meist eigene Bereiche für die Lagerung von Nahrung. Daneben ergrub man alle sonstigen typischen Bestandteile einer Festung, wie Feuerstellen, Lagerbehälter aus Terrakotta und Zisternen. Eine Belegung der Anlage liess sich bis in das 3.Viertel des 11.Jh. nachweisen. Im 19.Jh. sollten Reisende dem Ort den treffenden Namen "Akropolis" geben. Religion Der Sage nach gründete König Midas - zu dessen Einflussbereich Pessinus gehörte - im 8.Jh.v.Chr. einen ersten Tempel zu Ehren der Kybele. Überraschend geringe Auswirklungen hatte die auf Geheiss der Sibyllinischen Bücher und des Orakels von Delphi vollzogenen Überführung des heiligen Steins der Kybele in den Jahren 205/204 v.Chr. nach Rom. Natürlich gab es neben dem Kybelekult auch die Tempel für die anderen Gottheiten der antiken Religion. 31/32 n.Chr. liess Kaiser Tiberius im Süden der Stadt auf einem Hügel ein Sebasteion für den lokalen Kaiserkult einweihen. Bei diesem Gebäude handelte es sich um einen Tempel des Typs Peripteros mit korinthischer Ordnung und insgesamt spätrepublikanischem Aussehen. Am Bauplatz konnten insgesamt sechs Bauphasen von Vorgängergebäuden ermittelt werden (5.Jh.v.Chr. phrygisch, 4./3.Jh.v.Chr. frühhellenistische Monumentalarchitektur, 2./1.Jh.v.Chr. späthellenistische Gebäude). Unterhalb des Tempels hatte man in Tiberianischer oder Claudischer Zeit einen von Portiken gesäumten Platz angelegt, der von ionischen Kolonnaden gesäumt wurde und mit Kalkstein gepflastert war. Im Osten konnte noch eine zweite Etage in dorischer Ordnung bestimmt werden, was vermuten lässt, dass die Anlage von rhodischem Typus war. Ende des 1.Jh.n.Chr. renovierte man den Tempel und in Severischer Zeit die umliegenden Gebäude, wobei man u.a. ein dem Sebasteion zugehöriges kleines Theater teilweise zuschüttete. Einen merkbaren Bedeutungsrückgang erlebte Pessinus seit der Übernahme des Christentums als Staatsreligion und dann vor allem während der theodosianischen Heidenverfolgung. Im Rahmen seines Restaurationsversuchs der alten Kulte pilgerte Kaiser Iulianus im Juni 362 n.Chr. auf dem Weg von Constantinopolis nach Antiochia zum Heiligtum der Kybele und opferte der Göttin. Hier war es auch, wo er nur in einer Nacht seine philosophische Hymne auf die Göttin schrieb. Ein Versuch den Kult stark in Mitleidenschaft gezogenen Kult neu zu beleben wurde von seinen Nachfolgern wieder zunichte gemacht und das obwohl auf dem Territorium von Pessinus für diese Zeit noch einige aktive heidnische Kulte nachgewiesen werden konnten. Trotz der nahen Missionszentren konnte sich das Christentum lange Zeit in Pessinus nicht wirklich verbreiten. Erst für die Zeit um 250 n.Chr. ist ein singulärer Beleg bekannt und es sollte nochmals 100 Jahre dauern bis für das Jahr 350 n.Chr. weitere christliche Inschriften in Stein gemeisselt wurden. Religiöse Kleinfunde sind selbst für das gesamte 4.Jh.n.Chr. selten und treten explosionsartig gehäuft im folgenden Jahrhundert zu Tage, sodass mit einer weitgehenden Übernahme des Christentums erst ab diesem Zeitraum gerechnet werden kann. Der erste Bischof für Pessinus mit Namen Demetrios ist für das Jahr 403 v.Chr. belegt. Er war übrigens ein überzeugter Anhänger des Kirchenlehrers Johannes Chrysostomos. Anfang des 6.Jh.n.Chr. besass Pessinus zwei bedeutende Kirchen: eine Hagia Sophia im Stadtinneren und die Myriangeloi (den 10000 Engeln) vor der Stadt. Wirtschaft Hauptwirtschaftsfaktor von Pessinus bildete der Tourismus. Die Wallfahrer zum Heiligtum der Kybele liessen entsprechend viel Geld in der Region. Doch neben diesen Einkünften gab es auch eine blühende Textilindustrie - vor allem seit der römischen Herrschaft - und die Einwohner hatten es geschickt angelegt, dass sie anlässlich des Frühlingsfestes zu Ehren der Kybele auch eine Frühjahrsmesse zur Präsentation ihrer Produkte veranstalteten. Für den Ausbau der Stadt benutzte man die bekannten Marmorsteinbrüche beim heutigen Istiklalbagi; gut fünf Kilometer ausserhalb von Pessinus. Archäologie Bereits 1834 wurde erstmals vorgeschlagen das antike Pessinus mit den Ruinenfeldern rund um das heutige Dorf Ballihisar gleichzusetzen. Augenscheinlich hatten sich jedoch keine Grossbauten erhalten, da diese über Jahrhunderte in frevelhafter Weise als Steinbruch verwendet worden waren, sodass nur die Nekropolen auf den umliegenden Anhöhen wirklich zur Identifizierung beitragen konnten. Nach diversen Einzelaktionen stehen die Ausgrabungen seit 1967 unter der Leitung der Universität Ghent in Belgien. Ergraben wurden neben dem bekannten Heiligtum auch das Theater der Stadt und Thermenanlagen. Angesichts der Bedeutung des Fundortes wurde im Dorf ein archäologisches Kulturzentrum eingerichtet. |
Der Kult um die Göttin Kybele
bestimmte massgeblich das Leben |
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Quellen: "Der kleine Pauly"; archaeology.urgent.be |
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