WIRTSCHAFT |
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TESSERAE |
Die Tesserae
Unter einer Tessera (lat. = eig. "Viereck"; Marke, Token; meist in der Mehrzahl Tesserae gebraucht; grch. Symbolon; Mz. Symbola) versteht man antike Münzersatzmittel. Sie wurden meist aus Metall (Messing, Bronze oder Blei), einige auch aus Knochen und Elfenbein hergestellt. Optisch waren sie Münzen ähnlich gestaltet mit Zahlen, Symbolen, Dingen oder Tieren (einige wenige zeigen auch Herrscherportraits). Tesserae dienten im alten Rom mehreren ähnlichen Zwecken. Mit einer solchen Marke konnte man Bäder, Spiele oder Theaterdarbietungen besuchen oder Bootsfahrten unternehmen (vgl. die Jetons im Autodrom!). Aber auch als Berechtigung zur Teilnahme an Volksversammlungen sind sie etwa in Griechenland bekannt. Wie in Ägypten berechtigte in Rom eine Tessera frumentaria zum kostenlosen Bezug von Getreide; manchmal auch Öl.
links: Reliefzeichnung
einer Tessera für das Bad des Germanus Bei festlichen Anlässen wurden nicht nur Streumünzen unter das Volk gebracht, sondern auch solche Marken, die dann Missilia genannt wurden. Literarisch bekannt sind solche Aktionen etwa von Agrippa bei seiner Ädilenwahl 33 v.Chr. (Berechtigungen für Nahrungsmittel, Kleider & kleinere Sachgüter), Nero (Berechtigungen für Getreiderationen, Nahrungsmittel, Kleidung, Vögel, Zugtiere, Zirkustiere, Gold & Silber, Edelsteine, Perlen, Gemälde, Sklaven und sogar Ackerland, Wohnhäuser und Schiffe!) sowie Domitian. Man darf sich diese Atmosphäre wie bei der Ausschüttung einer modernen Lotterie vorstellen mit Haupt- und Nebenpreisen.
links:
Tessera mit Person in triumphaler Pose (vielleicht ist auch der
Auswurf von Münzen an das Publikum eines Triumphzuges angedeutet) und
dahinter Affe auf Kamel/Dromedar am Avers; Revers: röm. Ziffer XII Eine Spezialform der Tesserae sind die durch erotische Darstellungen hervorzuhebenden Spintriae. Sie werden meist als Eintrittsmarken für Bordelle gedeutet, was jedoch eine sehr unsichere Annahme ist. Einige Serien aus der frühen Kaiserzeit tragen auf der Rückseite die Ziffern I bis XVI (Höhere Zahlen sind neuzeitliche Fälschungen). Es könnte sich um Aswerte handeln, was jedoch nicht die einzige Interpretation sein muss. Eine andere plausible Annahme für die Spintriae wären Spielsteine (etwa für das Ludus Latrunculorum). Gesichert hingegen scheint ihre Verwendung als Auswurfmünzen während domitianischer Zirkusspiele, wie an folgendem Zitat von Martial VIII,78,9 zu sehen ist: Nunc veniunt subitis lasciva nomismata nimbis "Nun regnet es plötzlich Wolken wolllüstiger Geldstücke."
zwei Spintriae
mit sexuellen Handlungen am Avers und Zahlzeichen am Revers Inwiefern man die Spintrae überhaupt von von den anderen - ähnlich aussehenden - Tesserae überhaupt trennen soll, ist bislang nicht geklärt. Neben den Nummern von I bis XVI erscheint auch das Wort AVG, das wohl nicht für Augustus (d.h. Kaiser) steht, sondern als Abkürzung für ludi Augusti, d.s. die kaiserlichen Spiele, zu deuten ist. Interessant in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass Tesserae und Spintriae auch ausserhalb Italiens gefunden wurden, sie also einen gewisse Zirkulation ähnlich des Geldes aufweisen. In tiberianischer Zeit wurden keine Quadranten (typische Auswurfmünzen!) in der stadtrömischen Münzstätte hergestellt, was vielleicht mit der Ausgabe der Marken in Verbindung steht. Somit bleibt als bislang beste Konklusion die Verwendung als Auswurfmünzen mit Gutschein- bzw. Geldcharakter. Eine weitere Spezialform - allerdings aus dem militärischen Bereich - ist die Tessera Militaris, die als Erkennungsmarke von Soldaten und für Losungen verwendet wurde. Die Verwendung von Marken erstreckte sich über alle Bevölkerungsschichten. Besonders zum Einsatz kamen sie zwischen Patriziern und Klienten sowie für die Verpflegung von Sklaven; aber auch zur gewöhnlichen Verrechnung in Geschäften wurden sie eingesetzt (hatten somit eine primitive Kreditgeldfunktion). Ebenfalls als Tesserae wurden Münzen bezeichnet, die geteilt wurden; sei es aus Geldmangel oder als Vertragsbestätigungen (Tessera hospitalis; Wiederzusammenführung war ein Akt der Beglaubigung). Zudem bezeichnete man gewöhnliche Spielsteine ebenfalls als Tesserae. (vgl. hierzu die obige Anmerkung zu den Spintriae) Die Tesserae hielten sich die ganze Antike; vor allem auch deswegen, da es immer wieder Zeiten gab, in denen die Bevölkerung von Notrationen des Staates abhängig war. Im Mittelalter kamen Marken (meist aus Blei) erst relativ spät im 12.Jh.n.Chr. wieder auf und dienten vornehmlich als Passiermarken für Pilger oder Ausweise von Handwerkszünften. |
Bronzetessera des 1.Jh.n.Chr. aus
Ostia.
Tessera mit Portait der
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Quellen: K.-W.Weeber, "Alltag im alten Rom", W.Szaivert & R.Wolters, "Löhne, Preise, Werte", "Der kleine Pauly", Zeitschrift "money trend" |
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