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Turris ambulatoria
(grch. phoretos pyrgos)

Der bewegliche Angriffsturm gehörte in der Antike zum festen Repertoire der Kriegsmaschinen. Kein ernstzunehmender Poliorketiker konnte es sich leisten nicht über diese Angriffswaffe zu schreiben. Einige Entwürfe wurden berühmt und galten als Musterbeispiele gelungenen Ingenieurwesens. Grundsätzlich funktionierten sie alle nach dem gleichen Prinzip, wohingegen es bei der Ausführung und dem Zweck der Maschine (Mauer einreissen, Mannschaften absetzen, etc.) doch beträchtliche Unterschiede gab. Zunächst musste allerdings das Gelände planiert oder eine Rampe errichtet werden, auf welcher der Angriffsturm schrittweise an die feindliche Befestigungsmauer herangeführt werden konnte. Erst an seinem Ziel konnte er die volle Wirkung entfalten.

Bereits die Assyrer kannten diese Form der Kriegsmaschine. Entweder wurde mit ihnen die Mauer gerammt oder die Türme dienten als Plattform für Bogenschützen, damit diese ihrer Gegner auf der gleichen Höhe bekämpfen konnten. Auch ihre Nachfolger - die Perser - nutzen die Technik. Die höchsten Türme wurden schliesslich von Diades und Charias bei der Belagerung von Tyros 332 v.Chr. und von Epimachos 306 v.Chr. vor Salamis gebaut.

Die ersten Angriffstürme auf europäischem Boden dürften 398 v.Chr. bei Motya auf Sizilien eingesetzt worden sein. Sie waren noch keine eigentlichen Angriffsmaschinen, da sie nur dazu dienten den Infanteristen einen sicheren Aufstieg auf Mauern und Häuserdächer zu gewährleisten. Man könnte diese Gerätschaften salopp als „gedeckte Leitern“ bezeichnen.

Schnell erkannte man (was man in Persien ohnehin schon wusste), dass sich das obere Ende hervorragend für Bogenschützen und Geschützen eignete. Die Türme von Philipp II. von Makedonien bei der Belagerung von Perinthus 341 v.Chr. waren 37 m hoch und bereits mit Artillerie ausgerüstet. Alexander der Grosse verwendete vor Tyrus Türme mit über 50 m Höhe. Diese Entwürfe von Diades und Charias dienten hauptsächlich dem Schutz der Infanterie und waren gegen Feuereinwirkung mit Rohleder verkleidet. Leider überlieferten sie keine Angaben über den Unterbau (d.h. die Fortbewegungsmittel) dieser hölzernen Ungetüme. In der Spätantike nahm man sechs oder acht Räder an. Interessanterweise wird keine Fallbrücke erwähnt, obwohl Diades angeblich daran dachte eine eigene Abhandlung darüber zu schreiben.

Seit ca. 200 v.Chr. machten auch die Römer verstärkt von beweglichen Angriffstürmen Gebrauch. Einer der ersten Einsätze vor der griechischen Stadt Atrax ging jedoch schief. Man hatte auf eine Rampe verzichtet (die Griechen nutzen auch keine, also wieso sollte man auf eine solche Idee kommen) und deshalb blieb ein Rad in einer Bodenfurche hängen, was zu einer gefährlichen Neigung des Turmes führte. Der Einsatz wurde abgebrochen und bei späteren Einsätzen hatte man aus den Mängeln gelernt.

Bereits unter Caesar gab es Türme mit bis zu zehn Etagen und der Belagerungsturm von Jerusalem 70 n.Chr. mass 22,2 m. Die grösste römische Angriffsmaschine war 73 n.Chr. der Turm vor Massada mit 26,6 m Höhe. Dies war allerdings eine Ausnahme, die sich aus den lokalen Gegebenheiten ergab. Römische Belagerungstürme waren den zu erstürmenden Mauern angepasst und wurden in der Kaiserzeit nach praktischen Überlegungen erbaut. Damit stand die römische Bauweise im Gegensatz zur griechischen, die vor allem auf Gigantomanie und Einschüchterung setzte.

Wie ihre griechischen Pendants waren die Türme mit feuerhemmenden Materialien verkleidet. Der Militärschriftsteller Vegetius empfahl übrigens als Gegenmassnahme den Versuch diese Materialien von den Türmen herunterzuziehen, damit der Unterbau in Brand gesteckt werden kann. Alternativ sollte Brandartillerie zum Einsatz kommen um die gleiche Wirkung zu erzielen. Im Jüdischen Krieg von 66 bis 73 n.Chr. befürchteten die Römer eine derartige Vorgangsweise und panzerten ihre Türme mit Eisenplatten. Das damit einhergehende grössere Gewicht (stärkere Rampe!) und die geringere Mobilität wogen in diesem Fall wohl geringer als die Bedrohung durch feindliches Feuer. Ansonsten verzichtete man nämlich auf eine solche Panzerung und das aus gutem Grund: 70 n.Chr. brach vor Jerusalem einer dieser gepanzerten Türme unter seinem Gewicht zusammen.

Mit ein Grund dafür könnte Holzmangel und die damit einhergehende schlechte Qualität des Materials gewesen sein. Gut 30 Jahre später entwarf Apollodorus einen Turm speziell unter diesem Gesichtspunkt. Seine Konstruktion bestand aus Balken, die maximal 4,7 m lang, 37 cm breit und 22 cm dick waren. Aber es gab noch weitere Besonderheiten. Gegen Pfeile wurden frei hängende Häute empfohlen, da sie ihnen den Schwung nahmen und sich nicht in die Konstruktion bohrten. Da man Feuer im Turm nie ausschliessen konnte, empfahl Apollodorus die Einrichtung eines siphon (Feuerhaus) in der Konstruktion. Dort bunkerte man in Ochsengedärmen Wasser, das im Notfall versprüht werden konnte.

Laut Vegetius soll es noch eine Spezialkonstruktion gegeben haben. Da eine Fallbrücke - die er übrigens tatsächlich pons (Brücke) nannte - nur in exakter Mauerhöhe wirkungsvoll zum Einsatz kommen konnte, gingen manche Belagerten dazu über ihre Mauern während der Belagerung zu erhöhen. Angeblich soll ein mittels Flaschenzügen höhenverstellbarer Belagerungsturm existiert haben. Leider gibt es keine weiteren Belege für diese Kriegsmaschine, die in der Antike garantiert unter die Kategorie „Spitzentechnologie“ gefallen wäre.

Bronzekopf eines in Olympia gefundenen Rammbockes
(ca. 5.Jh.v.Chr.)
Der Balken dazu
war 22 cm hoch
und 8 cm breit.

(c) Deutsches Archäologisches
 Institut, Athen


 

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(PL)