KULTUR |
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DEUTUNGEN I |
Religiöse Deutung von Seuchen Früh- und Hochantike Wie im Mittelalter, war man auch in der Antike weithin davon überzeugt, dass Seuchen einen religiösen Ursprung haben. Vor allem ihre Funktion als Bestrafung im Sinne des Büssens für eine Schuld gehörte zum häufigsten Erklärungsmuster. Meist wurde Apollo dafür verantwortlich gemacht, der mit seinen Pestpfeilen wahllos in die Menge der Menschen schoss und sie damit (sterbens)krank machte. Während der Attischen "Pest" verfiel man gleichermassen darauf Ereignisse von vor über 200 Jahren und die verbotene Besiedelung von heiligen Hainen im Zuge der Belagerung als Auslöser zu identifizieren. Um eine Lösungsmöglichkeit von der Schuld in Erfahrung zu bringen, schickten die Athener den vornehmen Nikias nach Kreta zum Apollonorakel des Epimenides, welches bereits um 600 v.Chr. bereits einmal angerufen worden war. Gleichzeitig führte man den Kult des Heilgottes Asklepeios in Athen ein und weihte ihm einen Tempel. Für 426 v.Chr. ist eine rituelle Reinigung vom Apollo heiligen Delos durch die Athener bezeugt, welche die Insel mit unerlaubten Bestattungen religiös verunreinigt hatten. Delos durfte in Zukunft nicht mehr durch Bestattungen und Geburten befleckt werden und das lange nicht mehr gefeierte Fest Delia wurde neu ins Leben gerufen (was allerdings auch politische Gründe hatte). Die Einwohner einer betroffenen Stadt führten Bittprozessionen durch und brachten Sühnelieder dar. Solche Massnahmen konnten in einer belagerten Stadt nur zu Apathie führen, besonders wenn von aussen nur spärliche und umso bedrohlichere Nachrichten übermittelt werden. Es versteht sich von selbst, dass eine allgemeine anomia (grch. Unordnung, Verlust jeglicher Ordnung und moralischer Werte) das Weltbild der Menschen erschütterte. Im allgemeinen versuchte man durch Orakelsprüche eine rituelle Erlösung herbeizuführen. Die meisten Sprüche waren doppeldeutig angelegt. Der Schriftsteller Thukydides führte dies am Beispiel der Attischen "Pest" vor: viele sahen in einem Orakelspruch, wonach das Pelargikon - ein heiliger Hain - nicht bebaut werden durfte, den Grund für die Seuche. Thukydides meinte hingegen, der Spruch besage nur, dass die Seuche in einer Zeit auftreten werde, in der das Pelargikon bebaut sein würde. Spätantike/Frühmittelalter Der bereits erwähnte Verlust von Ordnung wurde in der Spätantike von den Christen herangezogen, um eine religiöse Erklärung von Seuchen zu erhalten. Demnach strafe Gott die Menschen mit Krankheit, weil sie sich versündigt hatten und zudem noch den alten Kulten huldigten. Auf der anderen Seite machte man die Christen dafür mitverantwortlich, weil sie den alten Göttern nicht den nötigen Respekt erwiesen. Die erste Christenverfolgung unter Decius hatte hier ihren Ursprung, aber auch die späteren Heidenverfolgungen. Nachdem das Heidentum ausgerottet worden war, gab es für die christliche Religion erneut Erklärungsbedarf, da mit der Ausrottung der alten Kulte die Seuchen nicht - wie von manchen erhofft - aus der Welt geschafft werden konnten. Nun interpretierte man das Leiden rein als Bestrafung für die Sünden der Mitmenschen. Dementsprechend nahm die Frömmigkeit während grosser Epidemien jedes Mal drastisch zu. Im Vordergrund stand nun die Erlösung der Seele, der ein Läuterungsprozess - das Leiden - vorangehen konnte. Während der Justinianischen Pest brannten sich diese Erklärungsmuster in die Gedanken der Menschen ein und bestimmten im weiteren das Denken des nun frühmittelalterlichen Europas. Vor allem Marien- aber auch der Bilderkult erhielten vermehrten Zulauf. In weiterer Folge sollten vor allem während der grossen Pestzüge des Mittelalters noch einige Heilige als Pestabwehrer und -heiler hinzukommen (z.B. der Hl.Sebastian, der durch den nackten Oberkörper und die Pfeile einen starken Apollobezug hat!), doch im wesentlichen änderte sich bis zur Renaissance nichts mehr an der religiösen Deutung von Seuchen. |
Mangelnde Getreidequalität bot in der
Antike ein grosses Potenzial für Massenerkrankungen |
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Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", M.Meier "Pest", "Der kleine Pauly" |
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(PL) |