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Bibliotheken in Rom

Die Realisierung der Pläne Caesars

Zu einer ersten schlagartigen Änderung im römischen Bibliothekssystem kam es durch die Annexion Ägyptens durch Caesar. Da während der Kampfhandlungen lediglich die Hafenspeicher abbrannten, fiel der gesamte Wissensschatz der unversehrt gebliebenen Grossen Bibliothek in römische Hände. Von nun an war es für die römische Oberschicht leichter, sich Werke aus diesen Beständen kopieren zu lassen.

Caesar war von der Grossen Bibliothek fasziniert und erkannte, dass Rom auf dem Weg zur Weltstadt ebenfalls eine grosse öffentlich zugängliche Bibliothek benötigte. Damit sollte natürlich nicht nur das kulturelle Ansehen Roms, sonder auch sein eigener Ruf steigen. Die Ermordung des Diktators machte zunächst diese Pläne hinfällig und das Römische Reich hatte wegen Caesars Erbe nochmals einen Bürgerkrieg auszufechten.

Genau in dieser Zeit machte sich ein Anhänger Caesars daran die Sache auf eigene Faust durchzubringen. Asinius Pollio, ein angesehener Autor und Freund der bedeutendsten Dichter Roms, hatte sich dem Projekt verschrieben. Während des Bürgerkrieges hielt er schützend die Hand über seine Freunde, sodass etwa Vergils Grundbesitz nicht enteignet wurde.

39 v.Chr. befehligte Pollio einen Feldzug, der ihm reiche Beute einbrachte. Mit diesem Vermögen setzte er sein Vorhaben in die Tat um. Leider ist von Roms erster öffentlicher Bibliothek nichts übriggeblieben und so ist man auf die literarischen Quellen angewiesen. Das Gebäude stand am Forum Romanum und hatte sowohl eine griechische, als auch eine lateinische Abteilung. Diese Einteilung war Caesars Idee und sollte für alle weiteren römischen Bibliotheken massgeblich werden. Dem Bauwerk wurde zahlreicher Schmuck gegeben und unter den Statuen der berühmten Dichter fand sich sogar die eines lebenden Autors - die von Varro. Da dieser 27 v.Chr. starb, muss die Einweihung irgendwann in den zwölf Jahren zuvor stattgefunden haben.

Nachdem Octavian den Bürgerkrieg für sich entschieden hatte, begann er sich auch um das Bibliothekswesen zu kümmern. Nicht weit von seinem Haus am Palatin entfernt liess er neben dem 28 v.Chr. vollendeten Apollotempel eine Bibliothek errichten, die bibliotheca Apollinis bzw. bibliotheca Palatina genannt wurde. Die darin aufbewahrten Schriftrollen wurden zuvor einer Zensur unterzogen, was den an die Küsten des Schwarzen Meeres verbannten Ovid zu einer Satire über die verzweifelte Reise eines Buches durch Rom veranlasste.

Wie in den meisten antiken Bibliotheken standen auch in dieser die Bildnisse grossartiger Schriftsteller. Namentlich überliefert ist allerdings nur jene des Redners Hortensius. Seit Tiberius ist ein Portrait des Augustus in den Räumlichkeiten nachgewiesen. Bildnisse waren nicht nur Statuen, sondern auch imagines clipeatae (reliefartige, von Rundschilden umfasste Büsten an Wänden). Germanicus, Tiberius' Neffe, hatte astronomische Studien betrieben und wurde nach seinem Tod ebenfalls in der Bibliothek abgebildet.

Im Apollotempel fanden auch Teile der Sibyllinischen Bücher eine neue Heimat. Sie wurden unter dem Sockel der Apollo-Statue in zwei goldenen Fächern gelagert. Der Rest lagerte weiterhin im Iuppiter-Tempel auf dem Forum. Einige Jahre nach der Tempeleinweihung schenkte der Kaiser der Stadt am südlichen Marsfeld eine dritte Bibliothek im Hof der Porticus Octaviae genannten Kolonnaden.

Lediglich vom Gebäude am Palatin haben sich archäologisch erschliessbare Reste erhalten. Sie zeigen, dass die römischen Architekten die griechischen Konzepte verworfen hatten und etwas Neues in die Welt setzten. Wichtigstes Merkmal war die doppelte Ausführung aller Räumlichkeiten (griechische & lateinische Abteilung). Die Schriftrollen wurden in Schränken an den Wänden gelagert, sodass man in der Mitte Platz für Tische und Stühle hatte. Griechische Bibliotheken wirkten mehr wie Speicher, die römischen Pendants dienten dem Komfort der Benutzer.

Auch die folgenden Kaiser liessen Bibliotheken errichten. Tiberius ergänzte die auf dem Palatin durch eine, möglicherweise auch zwei derartige Einrichtungen. Vespasian stiftete im Jahre 70 n.Chr. eine dem Friedenstempel in der Nähe des Forums angeschlossene Bibliothek. Die archäologischen Befunde zu diesen Bauten sind ebenfalls mehr als spärlich. Von der Bibliothek des Tiberius ist bekannt, dass sie damals die grösste in Rom war, da sich in ihr eine fast 50 Fuss (gut 14,5 m) hohe Apollostatue befand. Erstmals dürfte es sich um ein zweigeschossiges Gebäude gehandelt haben. Einige spätere Einrichtungen übernahmen dieses Konzept.

Den bedeutendsten Bibliotheksbau in Rom liess Kaiser Trajan 112/113 erbauen. Von dieser Anlage sind durch ihre Einbindung in das grosse Trajansforum zahlreiche Reste erhalten geblieben. Dadurch liess sich sogar die Inneneinrichtung rekonstruieren.

Die Bibliothek umfasste - wie mittlerweile üblich - eine griechische und eine lateinische Abteilung. Die Säle waren aber durch einen 40 m langen quadratischen Portikus getrennt, in dessen Mitte die allseits bekannte Trajanssäule stand. Jeder Saal war 20,1 m lang, 10 m breit und 27 m hoch. Das geräumige Bauwerk umfasste zwei Stockwerke samt Galerie unter einer Kassettendecke.

Die rückwärtige Wand kannte eine Vertiefung für eine Monumentalstatue - wahrscheinlich des Kaisers. Die übrigen Wände wurden für die Nischen der Bücherschränke verwendet. Die Frontseite bildeten vier Säulen und war damit offen mit Blick auf die Trajanssäule. Vermutlich wird es dort ein Bronzegitter zur Absperrung gegeben haben. Zusätzliches Licht kam durch Fenster im Dachgewölbe herein.

Für den Schmuck des Gebäudes hatte Trajan keine Kosten gescheut und die Baumeister konnten nach Lust und Laune importierten farbigen Marmor und anderes Gestein verwenden. Der Fussboden wurde mit grossen grauen Rechtecken aus ägyptischem Granit und gelben Marmor aus Nordafrika gepflastert. Bunter kleinasiatischer Marmor bedeckte die Wände. Die Büchernischen selbst umfasste man mit weissem Marmor; detto die Basen und Kapitele der grossen Säulen. Die Säulen selbst fertigte man aus Pavonazzo an.

Die Nischen für die Bücherschränke massen bei den Seitenwänden 1,61 mal 0,625 m. Ihre Höhe wurde mit 3,22 m geschätzt. Die Bücherschränke selbst waren leicht kleiner gebaut, damit sie nicht das Mauerwerk berührten (Feuchtigkeit!) und für Schriftrollen von max. 40 cm Tiefe konstruiert. Insgesamt gab es in den zwei Säelen 72 Schränke, die in Summe etwa 20.000 Schriftrollen fassen konnten. Der Jurist und Schriftsteller Aulus Gellius fand dort alte Edikte der Praetoren. Weiters gab es eine Sammlung kaiserlicher Briefe, Chroniken und Senatsbeschlüsse. Der offiziell-archivarische Charakter der Sammlung tritt deutlich hervor.

Die Trajansbibliothek war die letzte grosse öffentliche Bibliothek, die als solche errichtet wurde. In weiterer Folge gliederte man derartige Einrichtungen in die Thermenanlagen ein, wo sie Teil des geistig-sportlichen Freizeitprogrammes wurden.

Die im Jahre 109 n.Chr. vollendete Trajansthermen enthielten eine solche Bibliothek; ebenfalls in zwei Abteilungen getrennt. Da diese an den entgegengesetzten Aussenmauern angebracht waren, musste man zwischen dem lateinischen und dem griechischen Bestand gut 300 m zurücklegen. Auch die 212 begonnenen Caracallathermen enthielten eine gleichartige Einrichtung mit etwa 260 m Distanz. Erstere Bibliotheksbereiche waren halbkreisförmig, die in den Caracallathermen rechteckig angelegt. Bei Ende der Besuchszeit verwehrten Bronzegitter den Zutritt. Ob die Diocletiansthermen ebenfalls eine Bibliothek enthielten (was anzunehmen ist) wird man erst in Erfahrung bringen können, wenn eine Reihe moderner Bauten und Strassen entfernt werden.

Über die Bestände der Thermenbibliotheken kann man nur Mutmassungen anstellen. Es ist wohl anzunehmen, dass sich darin die bekannten Klassiker befanden und vielleicht einige philosophische Werke. Grundsätzlich muss man die Inhalte im Lichte der vergnüglichen Freizeitbeschäftigung sehen.

Dem Brand von Rom 64 n.Chr. fiel auch die Palatinische Bibliothek zum Opfer. Die Bibliothek im Porticus Octaviae brannte 80 n.Chr. ab. Beide Gebäude wurden unter Domitian wieder aufgebaut. Der Kaiser liess sogar Kopien der ehemaligen Bestände aus Alexandria herbeischaffen. 191 fiel Vespasians Friedenstempel den Flammen zum Opfer. Auch dieser Bau scheint wieder errichtet worden zu sein, denn er erscheint 357 noch als Sehenswürdigkeit der Stadt. Um das Jahr 350 dürfte es in Rom 29 öffentlich zugängliche Bibliotheken gegeben haben. Die Trajansbibliothek war selbst noch 456 in Betrieb, da sich ein Redner rühmen konnte, als Dank für ein Loblied auf den Kaiser, dort ein Standbild eingereiht zu bekommen. Ab diesem Zeitpunkt verliert sich die Geschichte der Bibliotheken Roms im Nebel des Zusammenbruchs des Weströmischen Reiches.

Trajan liess die grösste öffentliche Bibliothek Roms in das nach ihm benannte Forum eingliedern.

 


Quellen: W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", L.Casson "Bibliotheken in der Antike", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)