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EINLEITUNG |
Marcianus Herrschaft Als Marcianus den Thron bestieg, war er bereits 58 Jahre alt und man pries im allgemeinen seine weisen Fähigkeiten für das Amt. Der neue Kaiser konnte sich auf einen kleinen, aber ergebenen Beraterkreis stützen; allen voran seine Frau Pulcheria und den Heermeister Aspar. Wichtig waren aber auch andere, wie etwa der Magister officiorum (oberster Verwaltungschef) Euphemios und der Prätorianerpräfekt Palladius. Eine der ersten Amtshandlungen war die Hinrichtung des allseits unbeliebten und intriganten Ratgebers seines Vorgängers, Chrysaphius Zstommas. Die Einarbeitungszeit dauerte nur kurz und bereits nach einem Jahr konnte er eigene politische Entscheidungen durchsetzen. Die hohen Beamtenstellen des Reiches inclusive der wichtigsten Provinzen wurden mit Vertrauensleuten des Marcianus besetzt. Darunter waren auch Iulius und Tatianus, die ihn seinerzeit gesundgepflegt hatten. Parallel konnte Aspar seine Stellung in der Armee weiter ausbauen und missliebige Konkurrenten entlassen. Obwohl aus der Armee kommend, wollte sich der Kaiser nicht nur auf die Soldaten verlassen und suchte Unterstützung bei den Senatoren. Durch politische und wirtschaftliche Förderung gelang es ihm, die Aristokratie auf seine Seite zu ziehen. Derart abgesichert, konnte sich Marcianus an die dringlichsten Probleme des Ostreiches machen. Militärisch gab es damals zwei grosse Gegner: die Perser im Osten und die Hunnen im Norden. Von ersteren erreichte er einen Waffenstillstand zur Aufrechterhaltung des Status quo. Gegenüber den anderen änderte der Kaiser die Politik grundlegend. Hatte sich sein Vorgänger das Stillhalten des Reitervolkes noch mit hohen Tributen erkauft, setzte Marcianus nun auf totale Konfrontation. Er verweigerte dem Hunnenkönig Attila die regelmässigen Tribute und spielte dabei mit strategischem Geschick auf Zeit, denn es war ihm klar, dass ein Frontalangriff äusserst unwahrscheinlich war. Dazu hatten die Hunnen einfach zuwenig Ressourcen. Damals war abzusehen, dass sich Attila zuerst nach Westen gegen Rom wenden würde. Für seine eigene Sicherheit, setzte er jene der anderen Reichshälfte aufs Spiel. Die Wahrscheinlichkeit, dass Westrom den Hunnen nicht gewachsen war, konnte als erschreckend hoch angesehen werden. Die Rechnung ging für den Kaiser auf und die Hunnen erlitten in Gallien grosse Verlust. Als sie erneut an den Grenzen Ostroms standen und wiederum Tribut forderten, konnte Marcianus mit Leichtigkeit diesem Ansinnen entgegentreten. Die Militärs kannten die prekäre Lage der Hunnen und taktierten nun auf Krieg. Doch dann geschah das Unvorhergesehene. Attila starb 453 und das Hunnenreich zerfiel praktisch über Nacht. Nun herrschte an allen Grenzen Friede und Marcianus konnte sich voll der Innenpolitik widmen. Durch die militärischen Aktionen der letzten Jahrzehnte klaffte ein grosses Loch im Staatshaushalt und der Kaiser begann augenblicklich die Finanzen zu sanieren. Da auch die Wirtschaft Probleme hatte, löste er die Misere nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Steuersenkungen. Sie sollten die Steuereinnahmen über einen Aufschwung ansteigen lassen. Aber auch der Spargedanke machte sich breit. Die Konsuln wurden aufgefordert ihre üblichen Geldgeschenke an die Bevölkerung in die Reparatur der hauptstädtischen Wasserleitung zu stecken. Zwischen 437 und 447 erliess er alle angehäuften Steuerschulden und beseitigte Sonderabgaben für den Senatorenstand. Parallel kam es zu einer Kostensenkung im Heeresbereich und die nicht mehr zu zahlenden Tribute sorgten überdies für anderweitig verwendbares Geld. Am Ende seiner Herrschaft sollte der Staatsschatz mehr als 100.000 Pfund Gold enthalten. Im Zuge der Finanzreformen wurden auch veraltete Gesetze aus anderen Bereichen getilgt, wie etwa das Heiratsverbot von Senatoren und Frauen niederer Herkunft (z.B. Schauspielerinnen, Freigelassene oder Sklavinnen). Die Politik gegenüber dem Westreich liess indes zu wünschen übrig. Nach der Ermordung des Valentinianus III. 455 war Marcianus praktisch Alleinherrscher im Imperium, doch dachte er nicht einmal im Traum daran seinen Anspruch durchzusetzen. Vielmehr überliess er das schwache Gebilde rund um Rom und Ravenna den mächtigen germanischen Heermeistern. Eine militärische Unterstützung gegen die Hunnen oder Vandalen war von ihm nicht zu erwarten und die Einwohner im Westen empfanden dies als Affront. Darüber hinaus sprach er Teile Pannoniens den Ostgoten und Teile der Theiss-Region den Gepiden zu, ohne mit seinen Amtskollegen darüber beraten zu haben. In religiösen Fragen brachte die Mitte des 5.Jh.n.Chr. wieder eines jener Probleme hervor, auf das die meisten Zeitgenossen sicher verzichtet hätten. Es entbrannte ein heftiger Diskurs darüber, ob die menschliche und göttliche Natur Jesu nach seiner Menschwerdung zu einer untrennbaren göttlichen Einheit verschmolzen waren. Theodosius II. hatte 449 u.a. deswegen zum Konzil nach Ephesos geladen, wo sich der sogenannte Monophytismus (Einnaturlehre) durchgesetzt hatte. Alle Bischöfe mit anderer Ansicht wurden damals ihrer Ämter enthoben. Unter dem Einfluss von Pulcheria und Anatolios, dem Patriarchen von Konstantinopel, wich der Kaiser von der Politik seines Vorgängers ab und propagierte die Zweinaturlehre. Naturgemäss standen dabei die Beschlüsse des Konzils von Ephesos im Wege, doch konnte die weltliche Macht diesen Meinungsumschwung nicht einfach so in die Tat umsetzen. Dazu musste ein neues Konzil einberufen werden, das die Sache nochmals überprüfte und Beschlüsse fassen konnte. Ein wichtiger Machtfaktor dabei war Leo I., der Bischof von Rom, der allerdings nach einigem Zögern seine Einwilligung für die Abhaltung eines Konzils gab und sogar fünf Legaten entsandte. Auch die orthodoxen Würdenträger im Ostreich hatten einiges mitzureden, stimmten aber ebenfalls zu. Das sogenannte vierte ökumenische Konzil fand schliesslich im Jahre 451 in Chalkedon statt. Marcianus wusste seine Macht geschickt auszuspielen und liess die Bischöfe von kaiserlichen Beauftragten "überwachen", sodass nur Beschlüsse in seinem Sinn getroffen werden würden. So verwundert es nicht, dass die abgesetzten kirchlichen Amtsträger wieder eingesetzt wurden und die christliche Theologie erneut ein neues Fundament bekam. Nun wurde propagiert, dass Jesus Christus zwei Naturen besass, die in einer Person vereint waren. Im Jahr darauf wurden die Beschlüsse des Konzils in Gesetze gegossen und rigoros durchgesetzt. In Syrien und Ägypten war man anderer Ansicht. Die dort lebende Bevölkerung hing der Einnaturlehre an und kam es dadurch sogar zu Aufständen, die jedoch lokal blieben und niedergeschlagen wurden. Die Westkirche, auf die man ohnedies nicht gut zu sprechen war, konnte mit den Entscheidungen ebenfalls zufrieden sein, da sie gleichermassen der Zweinaturlehre anhing. Dennoch sollte sich die Kluft zwischen beiden Kirchen weiter verschärfen. Anatolios nutzte die Gunst der Stunde und liess sich seine eigenen Machtbefugnisse erweitern. Konstantinopel sollte der zweitwichtigste Bischofssitz der Christenheit werden und in Jerusalem wurde ein Patriarchat errichtet. Auch nahm der Patriarch für sich die kirchliche Gerichtsbarkeit im Osten in Anspruch. Damit sollte die Legitimität des Papstes untergraben werden. Anatolios verzichtete sogar darauf hinzuweisen, dass der Stuhl Petri in Rom Vorrang genoss. Damit war der Grundstein für die spätere Kirchenspaltung gelegt. 453 verstarb Pulcheria und vermachte ihr beträchtliches Vermögen den Armen. Damit hatte Marcianus seine wichtigste Beraterin verloren. Obwohl die Religionspolitik nun nicht mehr im Vordergrund stand, förderte der Kaiser weiterhin die orthodoxe Kirche. Pulcheria hatte sich als mildtätige Bauherrin in Konstantinopel hervorgetan und zahlreiche öffentliche Bauwerke errichten lassen; darunter natürlich zahlreiche Kirchen. Die bekannteste davon war jene der Theotokos (Gottesmutter), die in oktogonaler Bauweise errichtet worden war. Dazu kam noch jene der Theotokos Hodegetria (Gottesmutter, die zum Sieg führt), die einen Schrein besass, der der Legende nach Blindheit heilen konnte. Zu letzterer gehörte noch ein Kloster, das angeblich eine Ikone der Gottesmutter Maria enthielt, das vom Apostel Lukas gemalt worden sei. Pulcherias Schwester hatte diese in Jerusalem "ausgegraben" und nach Konstantinopel geschickt. Religion spielte auch in der Aussenpolitik eine gewisse Rolle; wenn auch eine eher unrühmliche. Um den Status quo mit den Persern nicht zu gefährden, weigerte sich Marcianus einem Hilferuf der Armenier zu folgen. Diese wurden von den persischen Besatzern gezwungen ihren christlichen Glauben aufzugeben. Der Kaiser versicherte dem Perserkönig Iezdegerd II. keine römischen Truppen einsetzen zu wollen und erkaufte sich damit weiterhin den Frieden. Die Armenier mussten diese Politik - wie noch so oft in der Geschichte - blutig bezahlen. |
ein Solidus des Kaisers Marcianus |
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Quellen: Manfred Clauss "Die römischen Kaiser"; Michael Grant "Die römischen Kaiser"; Otto Veh "Lexikon der römischen Kaiser"; "Der kleine Pauly" |
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(PL) |