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Privatbibliotheken

Der (Privat-)Besitz von Büchern war im Altertum eine prestigeträchtige Angelegenheit, die einige Bürger gewiss nicht alleine den Herrschern überliessen. So darf man kleinen Sammlungen bereits in archaischer Zeit vermuten, auch wenn dementsprechende Nachweise sowohl archäologischer als auch literarischer Art fehlen. Solche Kleinbibliotheken waren teuer. Bücher mussten per Hand kopiert, literarische Werke über weite Strecken transportiert werden. Den besten Beweis für das Vorhandensein von Büchern in Privathaushalten erhält man durch die Darstellung Verstorbener mit Schriftrollen in der Hand. Auch die Erziehung der Kinder erfolgte teilweise zuhause, wodurch ebenfalls ein gewisser Bedarf an Büchern bestand.

Im 5.Jh.v.Chr. gab es in Griechenland diese Sammlungen vor allem in Bücherkisten; d.h. es wurden noch keine eigenen Räumlichkeiten dafür vorgesehen. Dies änderte sich mit der Verbreitung von luxuriösen Wohnformen aber rasch. Die Römer übernahmen diese Vorgangsweise dann von den Griechen. Vitruv erwähnt etwa, dass griechische Häuser eigene Bibliotheken besassen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Vitruv sich rein auf literarische Werke seiner Vorgänger (bis zu 400 Jahre alte Werke!) berief und nur ein theoretisches Werk vorlegte.

In Athen und Delos sind die Nachweise privater Bibliotheken schwierig, da man sich nicht auf erhalten gebliebene Wandmalereien (wie in Pompeji) stützen kann. Aus den Schriften Vitruvs und den archäologischen Befunden lassen sie sich aber erahnen. Raumgrössen und Anordnungen (hinterer Hausteil, guter Lichteinfall, Schutz vor Feuchtigkeit, etc.) entsprechen den Bibliotheken des viel späteren Pompeji. Schätzungen zufolge haben 5 bis 10 % der Haushalte in Delos eine Privatbibliothek in eigenem Raum besessen.

Nennenswerte Privatbibliotheken tauchten in Rom erst im 4.Jh.v.Chr auf. Sie blieben - sieht man von den Herrscher- bzw. Tempelsammlungen ab - die einzigen Einrichtungen dieser Art. In Griechenland hatten sich vor allem Gelehrte dem Sammeln verschrieben. Die gebildeten und reichen Haushalte beschränkten ihre Bücher auf wenige Klassiker und Lieblingsautoren, die in der Freizeit studiert oder bei Festlichkeiten vorgetragen werden konnten.

Am Beginn des 2.Jh.v.Chr. gab es in Rom zwei Arten von privaten Büchersammlungen: diejenigen der reicheren Haushalte mit hauptsächlich griechischen Klassikern und die Kollektionen der Theaterprinzipale aus diversen lateinischen und griechischen Dramentexten. Schriften von wissenschaftlichem oder religiösem Inhalt waren hingegen äusserst selten anzutreffen.

Im Laufe des Jahrhunderts wurde das Bibliothekswesen zur Prestigesache und immer mehr römische Bürger legten sich eine Büchersammlung zu. Auch die aus den eroberten Gebieten verschleppten Bestände gingen, da es keine öffentlichen Einrichtungen gab, in private Hände über. Die Feldherren Paullus, Sulla und Lucullus liessen ganze Bibliotheken nach Rom verbringen.

Mitte des Jahrhunderts tauchten mit Spezialschriften erstmals lateinische Texte in nennenswertem Umfang auf. Familien, die keine grossen Politiker und Generäle hervorbringen konnten, und dennoch an Büchersammlungen interessiert waren, konnten Werke nur durch Kauf oder Kopie erlangen. Auf diesem Weg entstanden die Fachbibliotheken von Privatgelehrten und Spartensammlungen von Literaturliebhabern. In diesen Bibliotheken war der Anteil der lateinischen Autoren naturgemäss grösser, wenn auch das Griechische mehr als die Hälfte ausmachte.

Der Ausbruch des Vesuvs 79 n.Chr. hat auch einige Privatbibliotheken der dabei untergegangenen Städte konserviert (Bislang wurde übrigens keine öffentliche Bibliothek ergraben). Die Einwohner Kampaniens hatten an der Grenze zu Süditalien die besten Bedingungen ihren graecophilen Neigungen nachzugehen und sich dementsprechend mit griechischer Bildung einzudecken.

Diese Sammlungen waren in die Privathäuser integriert und archetektonisch nicht eigenständig. Vielmehr handelte es sich um Nischen oder Kammern, in denen die Schriftrollen gelagert wurden. Zum Lesen begab man sich einfach in die Wohnräume. In Pompeji und Herculaneum konnte bislang in vier Häusern eine Privatbibliothek nachgewiesen werden. Die Zahl mag gering erscheinen, doch Schriftrollen sind leicht dem Verfall preisgegeben und können vielfach nur sekundär (z.B. aus Wandmalereien) erschlossen werden.

Den bekanntesten Fund machte man schon am 19. Oktober 1752 bei Ausgrabungen in der Umgebung von Herculaneum. Dabei wurde ein Raum entdeckt, in dem verkohlte zylinderförmige Gegenstände in Regalen lagen. Bald enthüllte man das Geheimnis und versuchte einige Zylinder zu entrollen, was allerdings misslang. Infolge Grubengaseintritts schüttete man die ergrabene Anlage 1765 wieder zu. Die Grabungsberichte waren widersprüchlich, doch wusste man nun, dass der Raum 2,65 mal 3,20 m mass. Das Gebäude ging als Villa dei Papiri in die Geschichte ein.

Im 20.Jh. gelang es mittels einer komplizierten Apparatur verkohlte Schriftrollen lesbar zu machen. Da diese Methode Monate pro Rolle benötigte, suchte man nach anderen Möglichkeiten. Mittels Alkohollösung und Biochemie können seit einigen Jahren die Schriftrollen schneller entrollt werden. Nun weiss man auch, dass sich bei der Sammlung in der Villa dei Papiri um eine Fachbibliothek gehandelt hat. Etwa 1.800 Rollen bzw. Fragmente konnten gezählt werden. Die meisten sind in Griechisch verfasste Schriften von Epikur bzw. seiner Schüler. Einen grossen Anteil hatte Philodemos von Gadera, der bis zu diesem Zeitpunkt nur durch eine Schrift bekannt war. Mittlerweile kennt man seine Werke auch für Geometrie, Musik, Medizin, Ethik, Philosophiegeschickte sowie Rhetorik und Poesie. Die Bibliothek wurde neuerdings ergraben, doch gab es von den im 18.Jh. gesichteten Holzgestellen nur mehr die Dübellöcher zu bewundern.

Eine weitere Bibliothek fand sich in der Casa del Menandro in Pompeji. Das Gebäude wurde in den 20er Jahren des 20.Jh. ergraben. An einem Peristylhof lagen Bibliotheksräume, die während des letzten Drittels des 1.Jh.v.Chr. errichtet und nach dem Erdbeben von 65 n.Chr. umgebaut wurden. Die Räumlichkeiten waren vier Exedren mit Bücherregalen. In unmittelbarer Nähe gab es ein Triclinum und einen Zugang zu den hauseigenen Thermen. Die Anordnung ist ein gutes Beispiel für die Synthese griechischer und römischer Kulturformen.

Das Haus VI 17,41 in Pompeji enthielt in seinem hinteren Teil am Rande einer Terrasse (mit Seeblick auf den Golf von Neapel) mehrere verbundene Räumlichkeiten mit Wandmalereien aus den 40er Jahren des 1.Jh.v.Chr. Neben einem Triclinum (Esszimmer) und einem Cubiculum (Schlafzimmer) gab es eine mit eindeutigen Malereien ausgestattete Bibliothek. An der Nordwand konnte ein Bücherschrank mit 40 bis 63 cm Tiefe identifiziert werden. Die Malereien zeigen neben phantastischer Architektur einen Dichter und einen Gelehrten.

Eine Ähnliche Anordnung wurde in der Casa del Poeta Tragico (ebenfalls Pompeji) gefunden. Im hinteren Teil des Hauses befand sich an der Westseite eines dreiseitigen Portikus eine kleine Bibliothek sowie die bereits erwähnten beiden Räumlichkeiten. Da alle Wände des kleinen Raumes Malereien aufwiesen, ist von einem zentralen Bücherschrank (Stichwort: Feuchtigkeit) auszugehen. Vielleicht war es aber auch nur ein privater Leseraum. Man fand Dübellöcher für Bücherschränke auch in einem Nebenraum des Atriums.

Diese Funde zeigen, dass die Bücher in kleinen Räumen gelagert wurden. Zum Lesen ging man in eine Exedra oder ins Cubiculum. Für Vorträge eignete sich am besten das Triclinum. Man achtete auf gute Lichtdurchflutung und Ruhe (Lage im hinteren Teil der Hauses). Die Ausstattung mit themenbezogener Malerei zeigt die Wichtigkeit von Literatur und Bildung in grossen römischen Haushalten. Die Ausgrabungen sind repräsentativ für die Zeit der ausgehenden Republik bis Ende des 1.Jh.n.Chr (gut 150 Jahre). Ihre Vorbilder lagen in den Bibliotheken der hellenistischen Epoche. Sich einer eigenen Bibliothek zu erfreuen, gehörte zu einem Statussymbol der damaligen Zeit.

Über die Entwicklung der Privatbibliotheken in den folgenden Jahrhunderten weiss man sehr wenig. Die Sammlungen werden sicher ergänzt und erweitert worden sein. Durch Zufallsfunde weiss man etwa, dass ganze Sammlungen den Besitzer wechseln konnten. Wer etwas auf sich hielt, kaufte einfach eine komplette Bibliothek von jemand anderem.

Die Zeit der Wirren und das Erstarken des Christentums dürfte für die Bibliotheken eine Zäsur bedeutet haben. Zum einen wurden zahlreiche Schriften überflüssig (vor allem solcher religiöser Natur), zum anderen konnten Texte durch die Erfindung des Kodex besser untergebracht werden. Vieles ging jedoch durch kriegerische Auseinandersetzungen und Herrenlosigkeit verloren.

Bücherschrank
samt Lesestuhl

(c) e libro W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", p.5

 


Quellen: W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", L.Casson "Bibliotheken in der Antike", "Der kleine Pauly"

 

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