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Favianis (Mautern in der Wachau)

Favianis in der Spätantike (300 bis 488 n.Chr.)

Mit der Neuordnung des Reiches unter Diocletianus gehörte das Gebiet von Favianis nun zur Provinz Noricum Ripense (Ufernoricum). Die zunehmende Invasionsgefahr brachte der Siedlung eine verstärkte Bedeutung als Bollwerk und lokales Verwaltungszentrum. Anfang des 4.Jh.n.Chr. wurde ein Teil der legio I Noricorum in Favianis stationiert und das Lager auf ca. 4,4 ha Fläche. Wahrscheinlich in konstantinischer Zeit wurden an die Mauern Fächertürme zur Verstärkung der Wehrkraft des Kastells angebaut.

Ab ca. 370 erfolgte im Zuge des Ausbaues des Donaulimes unter Kaiser Valentinianus eine grossangelegte Umgestaltung des Kastells von Favianis. Dabei wurden - wohl um den direkten Zugang zur Donau zu sichern - die Nordmauern deutlich nach vor verschoben und seitlich Hufeisentürme eingezogen, wovon einer noch heute nach seiner Einbindung in die mittelalterliche Stadtmauer zu bewundern ist. Bauaktivitäten im Süden konnten bislang nicht ergraben werden.

Auch anhand der spätantiken Gräberfelder (bislang wurden ca. 330 Körpergräber ermittelt) lässt sich eine Änderung der Bebauung erkennen. Wo sich früher grosse Teile des östlichen und südlichen Vicus erstreckten fand man ab der 2. Hälfte des 4.Jh.n.Chr. Platz für Bestattungen. Wie in anderen Städten entlang des Limes hatte sich die Bevölkerung hinter die schützenden und nunmehr erweiterten Stadtmauern zurückgezogen. Die Gräberfelder waren teilweise sehr dicht belegt und öfters sind sogar Gräbergruppen und Reihe auszumachen, was eine gut organisierte oberirdische Markierung nahe legt. Auch Mehrfach- und Nachbestattungen kamen vor. Damals war man bereits zur Körperbestattung übergegangen und die Skelette wurden meist in Steinkisten, Platten- oder Erdgräbern aufgefunden. Seit dem 2.Viertel des 4.Jh.n.Chr. konzentrierten sich die Grablegen in der Nähe aufgelassener Gebäude der Hohen Kaiserzeit. Eine zweite spätantike Belegungsphase ist Ende 4./Anfang 5.Jh. und eine dritte Phase für die Mitte des 5.Jh.n.Chr. belegt. Aus der Zeit des Christentums gibt es in Favianis keine über die Gräber hinausreichenden religiösen Funde. Möglicherweise waren die Kulträume (ähnlich Lauriacum/Lorch bei Enns) in bestehenden Gebäuden eingerichtet worden.

Seine grösste Bedeutung erlangte Favianis interessanterweise ab der Mitte des 5.Jh.n.Chr. in einer Zeit, als der Donaulimes mehr als brüchig war und das Christentum einen über die Region hinauswirkenden Mann hervorbrachte: den Heiligen Severin. Durch die 511 n.Chr. (ca. 30 Jahre nach seinem Tod) entstandene Vita Severini seines Schülers Eugippus ist man über die damaligen Lebensumstände ausgezeichnet informiert.

Zu dieser Zeit hatten sich am Nordufer der Wachau die Rugier angesiedelt. Diesem Stamm wurden nach dem Rückzug der römischen Verwaltung die Städte am Südufer nach und nach tributpflichtig. Dieses Vorgehen schützte jedoch die römische Nordgrenze, welche seit dem Zusammenbruch des pannonischen Limes in östlicher Richtung bei Comagenis (Tulln) endete.

Es ist deshalb bezeichnend, dass Severin bei seiner Ankunft an der Donau ca. 453 n.Chr. die Siedlung Favianis und nicht andere wichtige Orte wie Comagenis (wohl zu hart am Feindesland) oder Lauriacum (Sitz der Verwaltung) für sich als Zentrum seines Wirkungskreises erkor. Es gab noch eine Besatzung in der Stadt - es wird ein Tribun namens Mamertinus genannt -, die sich vermutlich in einem verminderten Restkastell (vgl. Locus Felix oder Comagenis) an der Nordseite der Anlage im Gebiet des heutigen Nikolaihofs verschanzte.

Severin gründete vor den Mauern von Favianis ein Kloster (die zwischenzeitlich als „Severinskloster“ bezeichneten Reste einer Anlage vor den Stadtmauern dürften eher einen ökonomischen Charakter besessen haben; vielleicht aber im Zusammenhang mit dem Kloster) und bewohnte selbst eine ad Vineas genannte Einsiedelei. Neben den für eine Heiligenvita üblichen Wundertaten und Weissagungen betätigte sich Severin als Diplomat und allgemeiner Organisator des politischen Lebens in der Gegend um Favianis.

482 verstarb der Heilige Severin und er wurde in einem Holzsarg - angeblich wegen der Vorausahnung seiner späteren Umbettung - im von ihm gegründeten Kloster begraben. Kurz danach überfiel der Rugier Frederuch das Kloster, stahl trotz der Gegenwart des Verwalters vom Altar einen Silberkelch und das andere Inventar und plünderte schliesslich das Kloster so gründlich, dass nur die Mauern überblieben. Sechs Jahre nach Severins Tod exhumierte man den Leichnam, bettete ihn in einen vorbereiteten „Reisesarg“ um und überführte ihn im Rahmen des Abzuges der romanischen Oberschicht aus Noricum fort in das Kastell Lucullanum bei Neapel. Seit 1807 ruht der Sarg im Kloster Frattamaggiore nördlich von Neapel.

Die Lage nach dem Abzug der Römer

Nach dem Abzug der römischen Oberschicht wird Favianis entweder als stark verkleinerte Restsiedlung weiterbestanden haben oder vollkommen aufgegeben worden sein. Die letzten Bestattungen fanden den Funden nach jedenfalls in der 2.Hälfte des 5.Jh.n.Chr. statt. Auch gibt es aus der Zeit des Awarenfeldzuges von Karl dem Grossen 791 keinen Bericht mehr darüber, sodass zu dieser Zeit keine Ansiedlung von verwaltbarer Grösse mehr bestanden hatte. Erst im Jahre 899 tauchte Mautern als Civitas Mutarensis in einer Funktion als Zollstation in den Urkunden wieder auf.

Die Reste eines spätantiken Hufeisenturms in Mautern
(c) imago auctoris


Quellen: Museumskatalog Römermuseum Favianis-St.Severin, Eugippius "Vita Sancti Severini", Werner Lugs "Ripa"
 

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(PL)